Eine Herbstwanderung in die Wolken

Rechts im Bild: Veľký Choč, einen Tag vor der Wanderung.

Nachdem ich die letzten Nächte das erste mal im Winterschlafsack verbrachte hatte und es mal wieder Zeit war die Akkus aufzuladen, Wäsche zu waschen und eine Ladung Wifi einzusammeln, habe ich für ein paar Tage in dem kleinen slowakischen Bergdorf Lúčky eine Pause eingelegt. Und wo ein Bergdorf ist, müssen ja auch Berge sein. Berge die nach Besteigung schreien. Da das Fahrrad samt Gepäck in der Unterkunft sicher untergebracht war, konnte ich nun endlich mal wieder richtig Wandern gehen. Zwar nur eine Tageswanderung, doch besser als nichts.

Gestern hatte es noch geregnet, doch für heute sah es laut Wetterbericht nach leichter Bewölkung mit abwechselndem Sonnenschein aus. Der höchste Berg in der direkten Umgebung ist der Veľký Choč mit 1611 Metern. Vermutlich ist das der Riese, um den ich vorgestern schon die ganze Zeit herum geradelt bin, um hier her zu kommen. Von da aus müsste ich theoretisch einen richtig guten Blick zur Großen sowie zur Kleinen Tatra und zur Großen als auch zur Kleinen Fatra bekommen, denn der Veľký Choč liegt so ziemlich in der Mitte dieser vier Gebirgszüge. Also Frühstück, Rucksack packen und dann los.

Zur Abwechslung mal ein breiter Fahrweg durch den Wald.

Auf den ersten Metern entlang der Straße scheint die Sonne, es sind zwar auch ein paar Wölkchen am Himmel aber nach Regen sieht es nicht aus. Aus der Straße wird nach ein paar hundert Metern ein asphaltierter Fahrradweg in den Wald hinein. Ein Stück später zweigt der mit rotem Strich markierte Wanderweg aber dann ab auf einen vernünftigen Wanderweg: Schmaler Weg auf unebenem Untergrund mit Wurzeln, Steinen, Matsch, kleinen zu querenden Bachläufen. Durch den Regen von gestern, muss ich an einigen Stellen ganz schön aufpassen um nicht unfreiwillig Bodenproben unter vollem Körpereinsatz zu nehmen. Der Weg führt beständig bergauf. Von Lúčky aus werden es rund 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel sein. In der Sächsischen Schweiz müsste ich dafür schon einige Auf- und Abstiege absolvieren.

Unterstand mit einer Bewertung von 10/10 Sternen.

Irgendwann komme ich an einem kleinen Unterstand vorbei. Dieser ist großartig konstruiert. Von drei Seiten als Windschutz geschlossen, Ausblick zur anderen Talseite und unter dem Dach eine kleine Zwischendecke als Schlafnische für zwei Personen. Sogar mit Deckel zur Leiter hin, so dass man den Braunbären auch aussperren kann. Davor eine Feuerstelle, umstellt mit drei Sitzbänken. Warum mache ich nochmal nur eine Tagestour?

Nachdem der Shelter ausreichend fotografiert ist geht es weiter und ich bekomme hinter der nächsten Kurve den kleinen Bruder meines heutigen Ziels zu Gesicht – den rund 200 Meter kleineren Malý Choč. Zumindest teilweise, denn die Spitze steckt in einer fetten Wolke. Das sieht nicht gut aus. Überhaupt, wo ist die Sonne von vorhin hin?

Willkommen in den Wolken.

Umkehren ist natürlich nicht angesagt, es geht trotzdem weiter und je weiter höher ich komme desto mehr Wolkensuppe gibt es. Passt von der Stimmung her auch ganz gut zu den bunten Blättern überall, denn hier oben hat der Herbst schon ein ganzes Stück mehr Einzug gehalten als weiter unten im Tal. Die Wolken wabern zwischen den bunten Bäumen hindurch und irgendwann wird der Wald vollständig durch die Wolken ausgeblendet. Nun ja, wenn es keine Fernsicht gibt, so muss ich halt den Fokus mehr auf den Weg und die unmittelbar angrenzenden Objekte legen. Die Blumen sind auch schon im Herbstmodus angekommen, nur noch wenige blühen. Doch auch die geschlossenen Blütenstände und die Samenkapseln sehen interessant aus.

Es hat sich ausgeblüht für diese Saison.

Auf den letzten Metern bis zum Gipfel befinde ich mich dann definitiv in der Wolke. Ich sehe die Schleier direkt einen Meter vor mir zwischen den Krüppelkiefern hindurch ziehen. Ja hier oben sieht es schon etwas alpin aus. Der Weg ist nicht mehr matschig sondern leicht geröllig oder mit Felseinlagen bestückt. An einer Stelle will der Fels dann auch gleich einmal angefasst werden, um ein paar Meter weiter hoch zu gelangen. Viel zu lange hab ich das schon nicht mehr gemacht.

Wer die Kette anfasst, der schummelt!

Und dann bin ich auf einmal oben. Das „Oben“ ist mit einer Art Metallpilz markiert. Also ein Metallrohr mit Kasten fürs Gipfelbuch und da drauf eine Metallscheibe, in der die umliegenden Gipfel eingezeichnet sind als Orientierungshilfe. Die funktioniert heute richtig gut. Erstaunlicherweise sind hier trotz des super lohnenden Wetters einige andere Wanderer oben. Nach den obligatorischen sowie heute besonders guten Gipfelfotos gehe ich ein paar Meter weiter auf einen Nebengipfel und schmiere mir ein paar Brötchen. Den Hauptgipfel dabei immer genau im Blick – wobei es meistens die Wolken sind. Als dann für einen Moment die Sicht perfekt ist und ich die Kamera zücke setzt sogleich ein anderer Wanderer zur erfolgreichen Fotobomb an. Und schwups schon ist wieder die Wolke da. Verdammt.

Der Gipfel im Wolkenschleier.

Nachdem die Finger ausreichend ausgekühlt sind, geht es wieder an den Rückweg. Ich nehme den gleichen Weg zurück, auf einen Umweg mit anderen „Aussichtspunkten“ verzichte ich diesmal. Doch je mehr ich absteige, desto mehr scheinen sich die Wolken aufzulösen. Zumindest kann ich nun von dem Sattel zwischen Malý Choč und Veľký Choč schon den See sehen, den ich morgen früh mit dem Rad passieren werde. Es ist wirklich wie verhext, eine halbe oder dreiviertel Stunde später weiter unten scheint mir die Sonne von hinten auf den Rücken. Sie blitzt richtig stark zwischen den Ästen hindurch und bringt das bunte Herbstlaub wunderschön zum Leuchten. Als ich dann einen Bachlauf überquere bekomme ich sogar einen fast wolkenfreien Blick zum Malý Choč. Hätte ich vielleicht doch etwas länger schlafen sollen?

Der Malý Choč zeigt sich wieder.

Ach was, die Wanderung hat sich auch ohne die Aussicht am Gipfel völlig gelohnt. Die Herbststimmung mit den sich ständig bewegenden Wolken war wunderbar zu genießen. Und dazu das Wandergefühl. Der sich ständig ändernde Weg, die vielen kleinen Details im Wald, der Shelter und die Quellen – es gab jede Menge zu entdecken. Gerade die Stücke auf den letzten rund 400 Höhenmetern mit ihrem alpinen Charakter, der niedrigen Vegetation, den Krüppelkiefern und dem schroffen felsigen Untergrund haben mir extrem gut gefallen.


Reisezeit: Diese Zeilen hier habe ich übrigens gleich heute noch nach der Wanderung, am Abend des 23. Septembers 2021 aufgeschrieben. Bis zur Veröffentlichung wird es wohl noch ein paar Wochen dauern. Schließlich will die Reihenfolge der Reise gewahrt bleiben und die Bilder müssen auch noch nachbearbeitet werden.

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