Wir „planen” eine Talwanderung

Angekommen im Nelson Lakes Nationalpark „planen“ wir eine Talwanderung. Besser gesagt lassen wir uns im Besucherzentrum eine zweitägige Tour zur Copoula Hut oder alternativ etwas kürzer zur Hopless Hut einreden. „Ja das ist alles gut ausgeschildert, ihr braucht keine spezielle Karte.“ Das Wetter soll spitze werden.

Am nächsten Morgen geht es früh los, schließlich stehen acht Stunden Wandern an, denn wir wollen zur Copoula Hut. Die Tour soll dabei erst links am Lake Rotoiti vorbei gehen und sich danach das Tal heraufziehen, bis es dann rechts weg ein weiteres Tal zur Copoula Hut hoch geht. Wir sollen von dort aus spektakuläre Blicke über den Nationalpark bekommen.

Also los. Je länger wir wandern, desto länger scheint der See zu werden. Nach zwei Stunden haben wir ihn jedoch passiert und befinden uns an der Lakehead Hut. Dort steht ein Schild, dass es noch vier einhalb Stunden zur nächsten Hütte sind, von der aus es dann rauf zur Copoula Hut geht. Irgendwann nach drei Stunden taucht dann ein weiteres Schild auf, wonach es noch eineinhalb Stunden zur Hopeless Hut sind. Wo anders scheint es nicht lang zu gehen. So kommen wir dann auch nach der angegebenen Zeit an der Hopeless Hut an - ein Tal vor der Copoula Hut. „Ja das ist alles gut ausgeschildert ...“

Uns ist das in dem Moment jedoch egal, da es dank dem spitzen Wetter gerade anfängt zu regnen und wir dank der Hütte im Trocknen sitzen. Auch ist unser „Laufbedarf“ für diesen Tag gedeckt. Die Hütte ist ziemlich gemütlich mit ihren sechs Betten. Laut Hüttenbuch kommt hier im Durchschnitt nur jeden zweiten Tag ein einzelner Wanderer vorbei, die Nacht vor uns war die Hütte leer. Wir entfachen ein Feuerchen im Ofen und kurz darauf stolpert Jonathan, ein netter importierter Kiwi, zur Tür rein. Zwei Stunden später kommt noch Kathrin - an diesem Abend scheint hier Hochbetrieb zu sein. Der Abend ist gemütlich.

Jonathan und Kathrin empfehlen uns beide am nächsten Morgen nicht durch das Tal zurück zu gehen, sondern über den Sunset Saddle zur Angelus Hut und danach den Robert Ridge zum Mount Robert entlang zu wandern und dort wieder zum See abzusteigen. Das wäre eine sehr schöne Tour und wir hätten einen fantastischen Ausblick. Da wir bisher im Tal noch keinen der versprochenen spektakulären Ausblicke bekommen haben, entschließen wir uns für die Routenänderung. Auch das Wetter sieht am Morgen wieder freundlich aus. Die beiden zeigen uns auf der Karte wie wir auf dem angeblich einfachen Weg zur Angelus Hut kommen, dafür gibt es nämlich keinen offiziellen ausgeschilderten Track.

Wir starten um neun das Tal aufwärts in Richtung Sunset Saddle. Kurz darauf verlassen wir den Wald und befinden uns in einem alpinen Geröllfeld, welches es schon fast mit dem Vulkan von neulich aufnehmen kann. Wir kämpfen uns in Richtung Wasserfall hinauf, als uns plötzlich von weiter unten Jonathan  irgendwelche Winkzeichen gibt. Wir warten auf ihn, um nicht die falsche Richtung zu nehmen. Mit ihm voran geht es dann weiter nach oben und plötzlich stecken wir in einer dicken Wolke und es weht kräftiger Wind. Das „gleich sind wir am Sattel“ hören wir mehrere Male und das Wetter wird immer fieser. Die Sicht beschränkt sich nur noch auf maximal zehn Meter und dank des Regens ist das Geröll nun rutschig geworden. Unter uns befinden sich auf einmal Schneefelder. Soviel zum Thema Talwanderung.

Jonathan hat Probleme mit der Orientierung (wir sollten den Sattel und die Hütte angeblich leicht finden), jedoch erreichen wir irgendwann im dichtesten Nebel den Sunset Saddle. Ab jetzt geht es abwärts. Circa eine halbe Stunde später ist sich Jonathan nicht mehr sicher ob wir richtig sind. Er holt Karte und Kompass heraus und behauptet dann, wir sollten lieber zurück zum Sattel gehen , um sicherzustellen, dass wir wirklich wissen wo wir sind um nicht verloren zu gehen. Klasse. Wir können aufgrund der Kälte unsere Finger kaum noch bewegen und kämpfen uns wieder das Geröllfeld zum Sunset Saddle hinauf. Jonathan holt wieder Karte und Kompass heraus, befürchtet aber, dass sein Kompass nicht richtig geht. Mein Kompass bestätigt jedoch seinen. So steigen wir wieder ein Geröllfeld herab und ca. 15 Minuten später behauptet Jonathan sichtlich erleichtert, dass wir nun 100 Prozent richtig sind. Eine halbe Stunde später sind wir aus der Wolke heraus, haben etwas freundlicheren Boden unter den Füßen und können die Hütte sehen. Nach einer Stunde sind wir dann auch da und können unsere Sachen am warmen Ofen trocknen. Puh, das war definitiv ein krasses Abenteuer. Ohne Jonathan hätten wir die Hütte niemals gefunden, wären irgendwann umgekehrt und hätten uns mit Sicherheit auch dabei in Nebel und Geröll verlaufen.

Erfreulicherweise klärte sich das Wetter dann etwas auf und wir stürzten uns aufgewärmt, wieder mit unserem Guide Jonathan, hinauf auf den Robert Ridge (ein langer Bergrücken) in Richtung Mount Robert. Wir befanden uns nun wieder auf einem offiziellen Track und hatten tatsächlich fantastische Ausblicke in fast alle Richtungen. Der Sunset Saddle hielt sich jedoch weiterhin in Wolken versteckt. Nach drei Stunden entlang des Sattels, erreichten wir den recht unspektakulären Mount Robert und begannen mit dem Abstieg.

Am Ende hatten wir acht einhalb Stunden Fußmarsch hinter uns und waren verdammt froh wieder unten am See zu sein. Der „Weg“ von der Hopeless Hut zur Angelus Hut war die Hölle, die Wanderung über den Robert Ridge dagegen fantastisch. Danke Jonathan für den abenteuerlichen zweiten Tag!

  25.03.13 um 13:22 Uhr
  new zealand
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Kommentare

Martin
schrieb am 28.03.13 um 16:33 Uhr:

Im drögen Deutschland auf der Couch liegend und Käsekuchenkrümel mit dem Finger vom Teller lesend traue ich mich zu sagen: Ich hab Fernweh! Wo bleibt das Abenteuer?

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