Eine Woche in Belize

Typische Szene in Belize am George Prince Highway: Ein alter US-Schulbus; halbwegs moderne Pickups aus den Staaten; ein Mix aus Spanisch und Englisch; eine protestantische Kirche; ein Supermarkt in asiatischer Hand und viel Grün.

Ein besonderes Land in Zentralamerika

Zentralamerika reicht vom Süden Mexikos bis nach Panama. Abgesehen von Mexiko besteht sie nur aus flächenmäßig relativ kleinen Staaten. Von der Yucatan-Halbinsel aus Mexiko kommend, erreichte ich mit Belize den ersten dieser kleinen zentralamerikanischen Staaten. Mit einer Fläche von 22966 km² ist das Land in etwa so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, hatte im Jahr 2022 aber mit 441.000 Einwohnern nur grob ein Viertel der Bevölkerung von Meck-Pomm.

Mit der Kolonisation gelangte zunächst erst mal ganz Zentralamerika unter spanische Kontrolle, doch war das Gebiet des heutigen Belize recht unzugänglich und viele der Bewohner sehr widerständig gegen die Besatzer. Die Spanier konzentrierten sich eher auf Gebiete des heutigen Mexikos und Honduras, wo sie Gold und Silber fanden. Die Abwesenheit der Spanier wurde von britischen Piraten ausgenutzt, welche die Küsten von Belize als Zufluchtsort nutzten. Aus den britischen Piraten wurden irgendwann Tropenholz handelnde Siedler, es gab mehrere Auseinandersetzungen zwischen Spaniern und Briten und letztendlich wurde das Gebiet zur Kronkolonie „British Honduras“.

1981 erfolgte die Unabhängigkeit Belizes von Großbritannien, es ist seit dem ein Staat mit einer parlamentarischen Monarchie im Commonwealth. Damit ist also König Charles das Staatsoberhaupt, vertreten wird er jedoch von einem Generalgouverneur. Belize ist damit kein Teil Lateinamerikas.

Durch Sklaverei mit afrikanischen Sklaven, Bevölkerungswanderungen und Vertreibungen und der Einwanderung verschiedener Siedlergruppen entstand eine äußerst diverse Bevölkerung. So leben im heutigen Belize Mestizen, Kreolen, Maya, Garifuna, deutschstämmige Mennoiten, Inder und andere. Die Amtssprache des Landes ist Englisch, was während meines kurzen Aufenthalts schon äußerst praktisch war. So konnte ich endlich mal wieder ausführliche Gespräche mit Einheimischen führen, denn das Spanische ist noch „Work in Progress“. Neben Englisch werden in dem äußerst diversen Land natürlich noch weitere Sprachen gesprochen – Spanisch liegt da ziemlich weit vorn, wohl aber auch Kreolisch und bei den Mennoiten Plautdietsch.

Voreingenommen unterwegs

Völlig blind in ein Land hineinzufahren ist nicht unbedingt die cleverste Idee, gerade in einer Gegend, die nicht als zu sicher gilt. Also hatte ich mich natürlich bevor es nach Belize ging über die dortige Sicherheitslage informiert. Da war zum Beispiel die Gegend um Corozal, in der vor ein paar Jahren zwei Van-Pärchen ermordet wurden sein sollen, in einer anderen Ecke des Landes wurde Anfang dieses Jahres ein Campingplatz überfallen – sowohl die Gäste als auch die Betreiber. Andere Quellen behaupten, dass Belize eine der höchsten Pro-Kopf-Mordraten der Welt hat und Gewaltverbrechen nichts Ungewöhnliches sind. Nicht gerade beruhigende Fakten, wenn man bedenkt, dass ich als Weißbrot mit dem dick bepackten Reiserad nicht gerade unauffällig unterwegs bin.

Das Land zu umfahren war für mich aber keine Option, denn genau genommen wollte ich es unbedingt sehen. Zu viel Positives hatte ich schon gehört und gerade auch die besondere Stellung des Landes als Teil des Commonwealth umgeben von lateinamerikanischen Ländern klang spannend. Gehört hatte ich aber auch, dass es in Belize teuer sein sollte, also nicht unbedingt das passende Land für einen Budget-Reisenden. Ich beschloss also, nicht unnötig lange in Belize zu bleiben, bei der überschaubaren Größe sollte ich auch recht zügig durch kommen.

Ich kam genau zu Beginn der Osterzeit nach Belize und erfuhr recht schnell, dass viele Einheimische die Feiertage am Meer verbrachten – damit war für mich schon mal klar, dass es nicht in Richtung dieses Gewusels ging. Also war die Route dann mangels weiterer Optionen gesetzt: Auf dem Highway sollte es direkt von der mexikanischen zur guatemaltekischen Grenze gehen, eventuell mit einem Abstecher in den Bergen nahe Guatemalas.

Der Highway war eine gut ausgebaute Straße, hatte aber lediglich eine Spur pro Richtung und nur manchmal einen Seitenstreifen. In Ortschaften sank die Straßenqualität beträchtlich herab. Viel Verkehr gab es nur auf der zweiten Hälfte der Strecke; von Mexiko bis Hattieville war eigentlich nichts los. Somit würde ich die Bezeichnung Highway eigentlich nur als solche durchgehen lassen, weil es die einzige ernst zunehmende Straße ist, die beide Grenzen miteinander verbindet.

Die Einwohner Belizes waren ausgesprochen freundlich. Ständig wurde ich mit der Hupe gegrüßt, ich hörte immer wieder ein freundliches „Hi Bro“ oder „Hello Mister“, führte gute Gespräche mit den Einheimischen, bekam Hilfe angeboten, wenn es nötig war. Wo waren denn nun die ganzen Mörder und Schwerverbrecher, die mir an die Gurgel wollten? Nirgends im Land ist mir etwas Schlechtes geschehen, ich erlebte tatsächlich überall nur Freundlichkeit. Aber so ganz sicher fühlte ich mich trotzdem nicht, da waren diese verdammten Vorurteile einfach mit an Bord, die dem Land keine richtige Chance geben wollten. Ich konnte mich irgendwie nicht darauf einlassen, es intensiver zu erkunden und stand nach einer knappen Woche schon an der Grenze zu Guatemala. Das Mexiko wo ich herkam und die kommenden Länder nun auch nicht gerade die Sichersten sind, änderte in meinem Kopf nichts. Und auch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, ärgert mich dieser Zwiespalt in meinem Kopf noch.

Eine Grenze mit krassen Kontrasten

Es ist verrückt, wie imaginäre Linien unsere eine gemeinsame Welt in völlig unterschiedliche Regionen aufteilen. Die Grenze zwischen Mexiko und Belize war solch eine Linie und kaum hatte ich sie überschritten, war auf einmal alles ein ganzes Stückchen anders.

Zunächst einmal schien es wesentlich sauberer zu sein, es lag definitiv viel weniger Müll herum. Es gab zahlreiche Bushaltestellen mit Wartehäuschen, an denen sich auch oftmals ein Mülleimer befand – ein kleines Detail, welches schon mal auf ein besseres Müllentsorgungssystem hinweist. Richtig sauber war es aber bei weitem auch da nicht.

Sämtliche Schilder waren auf Englisch beschriftet; die Sprache, in der ich von nun an gegrüßt wurde. Trinkwasser wurde in Gallonen und nicht in Litern gehandelt, aus der Leitung gab es das aber auch in Belize nicht.

In den Siedlungen ging es ziemlich beschaulich zu, es gab bedeutend weniger Gewusel, als ich es aus Mexiko kannte. Manchmal schallte Reggae aus den Häusern, oftmals war es einfach nur ruhig. Alles um mich herum wirkte ziemlich entspannt und lässt sich schon irgendwie mit dem vergleichen, was ich mir unter karibischen Vibes vorgestellt hatte.

Der Verkehr im Norden des Landes war recht ruhig – vielleicht lag es am Osterfest oder an der abgeschiedenen Lage. Intensiven Logistik-Verkehr über die mexikanische Grenze schien es nicht zu geben. Viele PKWs waren etwas moderner, Neuwagen waren es aber bestimmt nicht. Die Busse fuhren ziemlich oft, es waren alte Schoolies aus den Vereinigten Staaten.

Die prunkvollen katholischen Kirchen, wie sie überall in Mexiko herumstanden, waren in Belize nicht zu sehen. Dafür gab es kleine, architektonisch eher einfach und schlicht wirkende protestantische Kirchen verschiedener Glaubensgemeinschaften – so wie ich es im Süden der Vereinigten Staaten gesehen hatte. Die Bemalung, die diesen Gebetshäusern fehlte, fand sich an einigen Buswartehäuschen in Form von Graffiti – Kreuze, Bibelsprüche, Aufforderungen an die vorbei kommenden Autofahrer für Jesus zu hupen.

Anfangs wirkte es auf mich so, als ob der Entwicklungsstand etwas höher als im Nachbarland war. Doch da waren auch die oftmals sehr primitiven Hütten der Dorfbewohner; es gab kein Trinkwasser aus der Leitung; das Straßennetz nur zu einem Teil asphaltiert und so weiter – ein höherer Entwicklungsstand war das definitiv nicht. Ich glaube Belize wirkte deshalb so anders auf mich, da es durch seinen geschichtlichen Hintergrund als Teil des Commonwealths eher westlich geprägt ist.

Das Trinkwasser ist alle

Auch in Belize war nichts mit Trinkwasser aus der Leitung – es musste wieder in Flaschen oder an Purificada-Stationen gekauft werden. Am ersten Abend kam ich in Orange Walk an und brauchte natürlich noch Wasser, bevor es an die Schlafplatzsuche gehen konnte. Die Purificada war geschlossen, in zwei Supermärkten war das abgepackte Trinkwasser ausverkauft. Auf meine Nachfrage, was die Menschen denn selbst so trinken, wurden die Purificadas erwähnt – hm, Dankeschön. Am Ende kaufte ich drei Literflaschen an einer Tankstelle zu Tankstellenpreisen.

Die nächsten drei Tage lag die Erfolgsquote höher, zwar waren die Purificadas an meinem Weg wieder geschlossen, doch fand sich irgendwie immer ein Supermarkt, der Trinkwasser in Ein-Gallonen-Flaschen im Angebot hatte. Ich wähnte mich sicher.

Als ich dann mal wieder Nachmittags etwas mehr „auftanken“ wollte, da es den kommenden Tag in eine abgelegenere Region gehen sollte, war jedoch wieder Ebbe. Drei Läden waren seit Ostern ausverkauft oder hatten nur viertel Liter Tüten, die zum Verzehr typischerweise an einer Ecke aufgebissen und leer gezutscht werden. Abgesehen davon, dass ich mehrere Liter brauchte, wollte ich zum einen nicht diese unpraktischen Plastiktüten haben, noch die unverschämten Preise dafür bezahlen. Zumindest hatten die Verkäufer Verständnis, wollten mich zur Purificada schicken, die ich vorher bereits erfolglos aufgesucht hatte, telefonierten anschließend herum und machten somit letztendlich einen Garaffon für mich ausfindig. Also eine 19 Liter Plastik-Pfandflasche. Ganz so viel brauchte ich nun auch wieder nicht, aber trotzdem war dies die günstigste und auch am wenigsten Müll produzierende Variante. Ich rollte zu dem besagten Lädchen, befüllte unter dem skeptischen Blick der Verkäuferin den Wassersack und meine Flaschen und ließ ihr am Ende ein Drittel des Garaffons zurück.

Es ist schon ein enormer Luxus, wenn Trinkwasser einfach jederzeit „aus der Wand“ kommt. Wenn der Preis dafür so billig ist, dass man sogar die Toilette damit spült. Wenn man nicht irgendwo hinfahren muss, um es heranzuschaffen.

Natur die sich sehen lassen kann

Die ersten drei Tage auf dem Rad waren landschaftlich nicht die Spannendsten. Es war flach; links und rechts der Straße gab es landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Mais-, Zuckerrohr oder Plamenplantagen. Hin und wieder kam ich auch durch größere Sumpflandschaften.

Mit der Ankunft am Tropical Education Center sollte sich das jedoch ändern. Gefunden hatte ich das Tropical Education Center eigentlich nur auf Schlafplatzsuche in einer App, da es sehr nahe am Zoo von Belize lag, da wollte ich nämlich eigentlich hin. Doch es entpuppte sich als kleiner Diamant, denn es gab weit mehr als nur einen günstigen Campspot. Auf dem riesigen Gelände des Tropical Education Centers hat man den ursprünglichen tropischen Wald der Region stehen lassen, ein paar Pfade zum Erkunden angelegt, zahlreiche Informationstafeln aufgestellt und allerlei Infrastruktur für Naturliebhaber geschaffen. Dazu kam noch die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals, ich fühlte mich absolut willkommen. Der Zoo gleich um die Ecke ist mit dem Tropical Education Center verbandelt und genauso empfehlenswert. Auch wenn es in dem Zoo jede Menge Tiere hinter Gittern gibt, so ist es kein klassischer Zoo. Das Projekt begann mit für eine Dokumentation gezähmten Tieren, die nicht mehr in die freie Wildbahn entlassen werden konnten und beherbergt nun auch jede Menge anderer geretteter Tiere – seien es durch Unfälle verwundete Tiere, aus illegaler privater Tierhaltung stammende Tiere und so weiter. Auch sind sämtliche Bewohner des Zoos einheimische Tiere aus Belize und damit nicht in eine völlig artfremde Umgebung katapultierte Lebewesen. Besonders beeindruckend fand ich die behäbigen Tapire und war von den für die Kamera posierenden Klammeraffen recht amüsiert.

Nur ein paar Kilometer weiter gibt es direkt neben der beschaulichen Hauptstadt Belmopan den ziemlich kleinen Guanacaste Nationalpark. Eigentlich ist es nur ein Stückchen tropischer Wald neben dem Belize River, durch den ein paar Pfade führen, doch genau diese Pfade machen den Wald so spannend. Denn ohne Pfade kann man tropischen Wald schlichtweg nicht betreten, es ist sonst einfach komplett dicht bewachsen und wer weiß, welche Schlange oder welch anderes giftiges Tierchen hinter der nächsten Liane auf einen wartet. Ich genoss es also, auf den schmalen Wegen einmal durch das dichte Grün zu spazieren, erfreute mich an den ganzen vor sich hin rankenden Pflanzen, den riesigen Blättern, den Termiten-Nestern und zückte auch recht oft die Kamera.

Je weiter es nun in Richtung Guatemala ging, desto bergiger wurde die Landschaft. Links und rechts der Straße lagen jedoch keine landwirtschaftlichen Flächen mehr, sondern tropischer Wald. Schilder warnten vor Tapiren oder Jaguaren; alles war saftig grün. Und auch bei meinem kleinen Umweg in Richtung des Nojkaaxmeen Elijio Panti Nationalparks und dem Abstecher zum Big Rock Wasserfall gab es jede Menge satten grünen Tropenwald zu sehen. Ziemlich reizvoll fand ich auch die mitten in diesem dichten Grün gelegenen Maya-Ruinen von Xunantunich, zu denen es hier schon einmal etwas zu lesen gab.

Ein Abschiedsgeschenk auf das ich gern verzichtet hätte

Es gibt Radreisende, die schwören darauf, niemals das Fahrrad zu putzen. Dreckig sieht es schließlich weniger attraktiv für Langfinger aus. Vielleicht bleibt man dann auch von anderen bösen Überraschungen verschont?

Ungefähr fünf Kilometer vor der Grenze zu Guatemala hatte ich mich noch für zwei Nächte in einem kleinen Bungalow eingenistet und dort das Öl der Rohloff-Nabe gewechselt, die Mäntel rotiert und eben auch das ganze Rad einmal geputzt. Von den sieben Rissen in der hinteren Felge wollte ich eigentlich gar nichts wissen, aber nun waren sie halt da. Wie lange eigentlich schon, wann hatte ich das letzte Mal geputzt? Und wie weit würde ich damit noch kommen? Wo würde es dafür Ersatz geben – Zentralamerika ist nicht gerade der beste Ort für ein solches Problem. Ich atmete tief durch und beschloss, das Ganze in Guatemala herauszufinden.


Reisezeit: März/April 2024

Bildquelle für die Karte: Die Karte ist mit zwei Vorlagen von amcharts.com erstellt (Quelle 1, Quelle 2). Damit steht die neu erstellte Karte auch unter einer Creative Commons BY-NC 4.0.


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Kommentare

2 Antworten zu „Eine Woche in Belize“

  1. Benutzer Icon
    Andreas

    Manchmal ist Wissen auch eine Qual. Das Wissen über Gefahren macht dich vorsichtiger, aber auch skeptischer den Menschen gegenüber.
    Putzen sorgt manchmal auch für Wissen und wenn nan dann auch gleich noch „7 auf einen Streich“ findet, dann ist die Erkenntnis nicht die Beste, aber dein Rad bricht dir dann auch nicht bei 50km/h bergab mal eben auseinander.
    Weiterhin gute Fahrt.

    1. Benutzer Icon

      Ja, so ist es.
      Eigentlich putze ich genau deshalb das Rad auch des Öfteren, nur so finden sich rechtzeitig Probleme, bevor sie zu Katastrophen werden.
      Danke dir!

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