Das Sumela Kloster.
Mit der Ankunft am Schwarzen Meer nach der epischen Überquerung des Pontischen Gebirges sollte meine Zeit in der Türkei so langsam zu Ende gehen. Das klassische Touristen-Visum hat nur 90 Tage, für dieses riesige Land mit seinen herzlichen Einwohnern eigentlich viel zu kurz.
In Rize hatte Mustafa – der Besitzer des Serender Cafés und Kopf des örtlichen Fahrradclubs – mich über Warmshowers sehr herzlich willkommen geheißen. Es war schön, mal wieder einen Host über die Plattform gefunden zu haben, ich freute mich auf die Konversation mit den Einheimischen. Denn so großartig die Türkei und ihre Einwohner auch sind, man trifft leider nicht sehr oft auf Menschen, die vernünftig Englisch sprechen können. Meist reicht es nur für ein „Hello! How are you?“. Gut, ich kann jetzt auch kein Türkisch – aber die ganzen jungen Türk*innen? Come on, it‘s 2022! Und tiefer gehende Unterhaltungen über die diversen Übersetzungs-Apps sind auf Dauer ziemlich anstrengend. Bei Kontakten über Warmshowers ist das immer ein Stück anders, da steht die Kommunikation natürlich im Vordergrund, so war es auch bei Mustafa. Er hatte gleich am nächsten Morgen seinen Freund Ercüment aus dem Fahrradclub eingeladen, mit dem ich dann in die Innenstadt aufbrach.
Rize.
Die Mission dabei war das Problem mit meinem defekten Zoom-Objektiv zu lösen. Unterwegs bekamen wir noch Unterstützung von Mustafas Bruder Abdullah. Ich erlebte wieder einen der magischen Momente in der Türkei. Denn wenn man einmal jemanden um Hilfe bittet, wird ein wahres Getriebe aus tausenden Zahnrädern angeworfen, was erst bei der vollständigen Lösung des Problems wieder zum Stillstand kommt. Unzählige Çays und Anrufe später war klar, dass definitiv kein Elektronikbastler in der Stadt die defekte Tamron-Linse reparieren kann. Kurz darauf war dann ein Paket mit einer alternativen neuen Linse aus Istanbul per Paketdienst unterwegs. Die ganzen Details lasse ich hier jetzt weg, dafür aber riesigen Dank an Ercüment und Abdullah für eure großartige Hilfe! Ich war wirklich begeistert, hatte ich doch schon ein paar Tage vorher begonnen über den Versand von Deutschland nach Georgien zu recherchieren, um dort möglichst Ersatz per Post zu bekommen – alles völlig überflüssig …
Das Paket war unterwegs und sollte laut Sendungsverfolgung unerwarteter Weise doch vier statt nur zwei Tage benötigen. Um nicht die ganze Zeit faul herum zu sitzen, ging es für mich auf einen Kurztrip nach Trabzon und zum Sumela Kloster. Ich ließ das schwere Gepäck bei Mustafa und radelte nur leicht bepackt los. Vom spektakulär gelegenen Kloster Sumela hatte ich schon oft gehört, Abdullah meinte auch, dass ich dieses unbedingt gesehen haben müsse. Für Reiseradler ist dieses Kloster nicht unbedingt super gelegen, da es von Trabzon welches an der Küstenstraße liegt nochmal 40 Kilometer landeinwärts und gut 1000 Meter nach oben geht. Dort ist dann auch Schluss, so dass sich ein Besuch des Klosters nicht so gut in eine der typischen Radler-Routen einplanen lässt. Aber ich hatte ja nun Zeit. Nach einer Nacht in Trabzon starte ich früh morgens mit Kamera und Tagesproviant. So ganz ohne Gepäck war das Tier schon etwas sprunghaft, doch der Aufstieg war nun ziemlich gut machbar.
Das Sumela Kloster.
Am Parkplatz vor dem Kloster angekommen wanderte ich los in Richtung Kloster. Ich war bei weitem nicht allein, doch scheinbar der Einzige, der zum Kloster wanderte. Alle anderen nahmen den Shuttle-Bus. Ein Phänomen, welches ich schon an vielen Stellen in der Türkei beobachten konnte. Die Entscheidung das Kloster zu Fuß zu erreichen zahlte sich aus, denn so kam ich an DEM perfekten Spot vorbei, um DAS typische Bild vom Kloster zu knipsen. Ein Zoom-Objektiv wäre da schon ganz praktisch gewesen, das Weitwinkel war unnütz und so blieb nur die 30mm Linse. Nachdem DAS Foto geknipst war, ging es für mich zum Kloster weiter, ich zahlte den obligatorischen Eintritt und konnte dann jede Menge Türkischer Touristen die Reste des Klosters bestaunen. Als großer Connaisseur christlicher Sakralbauten genoss ich die bunten Ikonenbildchen, wie ich sie schon zu Hunderten in Griechenland sah. Der Großteil des an das Original angelehnten Klosters war leider noch wegen unvollendeter Bauarbeiten gesperrt, so dass die Besichtigung recht schnell erledigt war. Es ging nun zurück nach Trabzon ins Hotel und am nächsten Tag wieder nach Rize.
Ähnlich wie in Meteora, war auch in Sumela eher die spektakuläre Lage des Klosters die eigentliche Attraktion. Zumindest für solche Connaisseure wie mich. Hat es sich nun gelohnt da hin zu radeln? Ich hatte ja etwas Zeit zu überbrücken und musste auch nicht das voll beladene Tier da hoch bekommen, konnte so auch die Natur auf dem Weg dahin genießen. Insofern war es schon okay. Die Straße zwischen Rize und Trabzon dagegen war alles andere als angenehm mit dem unglaublich dichten Verkehr und den teilweise oft fehlenden Seitenstreifen. Falls ihr nicht gerade auf Forschungsreise zu griechisch orthodoxen Klöstern unterwegs seid, könnt ihr Sumela aber auch rechts liegen lassen …
Die neue Linse ist da 🙂
In Rize warte jedenfalls das neue Zoom-Objektiv auf mich und bettelte natürlich gleich eine Runde getestet zu werden. Ich blieb noch eine Nacht bei Mustafa im Serender Café und radelte am nächsten Morgen in Begleitung von Ercüment und Abdullah los in Richtung Grenze. Vielen Dank für die Gastfreundschaft und Unterstützung, ohne solche großartigen Menschen wären solche Radreisen viel schwieriger zu bewerkstelligen!
Teeproduktion im Bezirk Rize.
An diesem letzten Abend stellte ich das erste mal das Zelt am Schwarzen Meer auf und genoss einen schönen Sonnenuntergang. In Gedanken schwelgend über die vergangenen circa drei Monate in der Türkei – eine großartige, spannende Zeit. In der Türkei bin ich das erste mal etwas tiefer in eine völlig andere Kultur eingetaucht, das Tor zum Orient hat mich definitiv neugierig gemacht auf mehr! Gleichzeitig verspürte ich aber auch das erste mal etwas Wehmut beim Verlassen eines Landes auf dieser Reise, es hätte gern noch etwas länger sein dürfen. Doch der Titel dieses Posts verrät ja schon etwas meiner Pläne, Ideen, Träume. Insofern spare ich mir vorerst auch ein ausführlicheres Fazit zu diesem Land, zu dem es noch so viel zu schreiben gibt.
Bye bye Turkey, Georgia I’m coming!
Çok teşekkür ederim! Yakında görüşürüz, Türkiye!
Reisezeit: Juni 2022
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