Kappadokien – alles nur Filmkulisse?

Kleiner Höhlenkomplex bei Göreme.

Bei der Routenplanung habe ich oft hin und her überlegt, ob ich nun nach Kappadokien fahre oder nicht. Es ist ja eines der Touri-Ziele schlecht hin in der Türkei. Jetzt im Nachhinein, bin ich ganz glücklich auch da gewesen zu sein. Diese spektakuläre Landschaft einmal selbst zu erleben ist dann doch nochmal etwas anderes als zahlreiche Bilder zu betrachten oder ein paar Videos darüber zu schauen. Und wieder einmal habe ich hier gerade den Aspekt mit dem Fahrrad zu reisen sehr genossen. Es ist einfach die perfekte Geschwindigkeit um Landschaften in sich aufzusaugen, überall kann man einfach stehen bleiben und kurz mit dem Blick verweilen oder ein paar Bilder knipsen. Und man kommt damit an Ecken, wo man dann wirklich auch ganz für sich ist und dem Trubel entgeht.

Prost!

Die Popularität von Kappadokien schlug sich auch in der Reiseradler-Dichte nieder. Auf dem unmittelbaren Weg in die zentralanatolische Landschaft und dann direkt vor Ort habe ich so viele andere Reiseradler getroffen wie sonst nirgends in der Türkei. Auf dem Weg von Konya nach Aksaray traf ich so zum Beispiel auf Patricia und Christof aus der Schweiz. Sie hatten wiederum schon Bekanntschaft mit Sharon und Dave aus den Staaten geschlossen, welche bereits in Aksaray waren. Da das Wetter stimmte, die Landschaft ziemlich flach und äußerst langweilig war zogen wir die etwas über 150 Kilometer an einem Tag durch und konnten so zu fünft am Abend noch gemeinsam in Aksaray anstoßen.

Bühne frei für die spannenden Landschaften.

Dank dieses Abends habe ich dann auch noch etwas meine Route nach Kappadokien modifiziert und bin extrem dankbar dafür. Das Fest für die Augen begann bereits nach den ersten drei Kilometern hinter Aksaray. Von langweiliger flacher Landschaft war keine Spur mehr. Zunächst rollte ich durch hügelige Landschaften, die immer wieder etwas stärker zerfurcht waren. Im großen und ganzen wirkten sie karg, es gab aber immer wieder auch größere Flächen mit saftig grünen Wiesen – dem Ackerbau sei Dank. An zahlreichen Stellen erhoben sich schroffe Felsriffe, vor denen riesige Felsbrocken in die Weite gerollt waren. In der Ferne thronte der mächtige Vulkan Hasan Dağı, welcher wohl nicht ganz unschuldig an dieser spektakulären Landschaft ist.

Der Hasan Dağı – schon ganz fotogen.

Spätestens als ich das Dorf Doğantarla erreichte, befand ich mich ganz offensichtlich in einer künstlich erschaffenen Filmkulisse. Besser gesagt in einem unzählige Quadratkilometer großen Film-Park. Denn dass die ganzen extrem bizarr wirkenden Gesteinstürmchen aus Tuffstein „nur“ ein Produkt der Vulkanergüsse, gefolgt von heftigen Erosionsprozessen sein sollten, kann doch nur Fake News sein. Dazu die schier unzählbar vielen in die Felsen gegrabenen Höhlen, welche im Dörfchen Selime besonders prägnant waren. Ehemalige Wohnräume, Stallungen, Vorratsräume, Kirchen, Klosterkomplexe – es war eine richtige ehemalige Höhlenstadt. Oder doch nur eine geschickt angelegte Filmkulisse?

Ich war so fasziniert von diesen ganzen unwirklich wirkenden Dingen, meine Augen wussten gar nicht wo sie sich zu erst satt sehen sollten. Und dabei war ich ja noch nicht mal in der ja sonst wie hoch gelobten Region um Göreme herum. Weiter ging es für mich an diesem Tag noch zum Canyon bei Ihlara, welcher wieder mindestens genauso spektakulär war wie das bereits zuvor gesehene an diesem Tag. Es war schon eigentlich fast zu viel für einen Tag.

Bei dem Dorf Selime.

Der bereits schon im Maibild 2022 gezeigte Canyon ist definitiv einen Abstecher wert. Nicht nur wegen der zahlreichen in die Felswände gehauenen Kirchen, die waren für mich zumindest eher Nebensache. Fasziniert war ich wieder einmal von der Mächtigkeit der Felswände zur Linken und Rechten wenn man unten drin steht, mit dem sich hindurch fräsenden Wasser. Oder den atemberaubenden Blicken vom oberen Rand auf diesen grünen Riss in der Erde, die rings herum eher karg wirkte. Da konnte ich gar nicht anders als das Zelt oben am Rand der Klippen aufzustellen, um diesen Ausblick ein bisschen länger zu genießen.

Der Ihlara Canyon.

Neben diesen ganzen von oben ziemlich offensichtlichen Attraktionen gibt es in Kappadokien wohl auch über 50 ehemaliger unterirdische Städte. Einen Teil einer solchen Stadt habe ich mir in Derinkuyu angeschaut. Dort ging es auf 8 Etagen bis zu 55 Meter tief unter die Erde. Und wie auch schon bei den oberirdischen Höhlenstädten gab es auch hier wieder Räumlichkeiten für alle möglichen Zwecke: Kirchenräume, Lagerräume, Stallungen, Wohnräume, Weinpressen. Dazu ein beeindruckendes Belüftungssystem mit unzähligen Schächten, Brunnen die teilweise nur von unter Tage zugänglich waren und durch Feinde nicht von oben vergiftet werden konnten, gigantische mühlsteinartige Türen zur Verriegelung diverser Durchgänge. Der Aufwand für die Erschaffung dieser unterirdischen Labyrinthe muss gigantisch gewesen sein.

In der Höhlenstadt von Derinkuyu.

Nach Derinkuyu ging es für mich dann in den „Historischen Nationalpark Göreme“. Das touristisch am höchsten frequentierte Gebiet in Kappadokien. Die Gegend in der jedes Haus im Dorf entweder eine Touri-Unterkunft oder ein Restaurant ist. Da wo Quads ausgeliehen werden können, Pferde durch unprofessionelle Reiter malträtiert werden, sich unzählige Menschen durch Höhlen direkt in den Dörfern schieben und ein paar Meter weiter in den nicht asphaltierten und von Busen gemiedenen Tälern wieder absolute Ruhe herrscht. Genau da, wo die unzähligen Heißluftballone aufsteigen um DAS typische Kappadokien-Gefühl zu vermitteln. Zumindest wenn es nicht regnet.

Ich war allerdings bei Regen im Nationalpark gelandet. Dadurch war es vielleicht noch etwas ruhiger, auf jeden Fall gab es aber keine Ballone. Habe ich sie vermisst? Nein. Die faszinierende Landschaft mit den skurrilen Felsformationen aus Tuff in wirklich unterschiedlichsten Formen hat mir vollkommen gereicht. Verglichen mit dem was ich die Tage vorher auf dem Weg von Aksaray in den Nationalpark schon gesehen hatte, war dies hier ein Konzentrat davon auf einem äußerst kleinen Raum. Also eine unglaubliche Diversität an Tuffsteingebilden: Ausgehöhlte kleinere Felsentürme ohne Ende, riesige Tuffsteinfelsen die Schweizer Käse glichen, Kolonien von Tuffsteinstellen in vulgären Formen oder wie von Künstlern entworfene wellenförmige Abhänge aus selbigem Gestein. Es hatte definitiv etwas irreales, märchenhaftes.

Im Historischen Nationalpark Göreme.

Einige der in den Tuffstein gehauenen Höhlen werden in den Touri-Dörfern möbliert als Unterkunft vermietet. Aber auch abseits der Menschenmassen werden manche der Höhlen heute noch aktiv genutzt. Ich habe manche in der Funktion als Datsche gesehen, andere als Taubenschläge, eine diente der Weinproduktion, eine weitere wurde aber auch von einem daher geradelten Touri für sein Nachtlager genutzt.

An meinem letzten Abend in Kappadokien gab es noch einmal ein Wiedersehen mit Patricia und Christof. Sich mit anderen Reiseradlern zu treffen ist immer eine kleine Besonderheit – hat man doch viel gemeinsam und kann sich so über Routen, das bereits Erlebte oder auch ähnliche Probleme austauschen. Vielen Dank euch für die schöne Zeit, aber auch an Yves für die tollen Gespräche!


Reisezeit: Mai 2022

Kommentare

8 Antworten zu „Kappadokien – alles nur Filmkulisse?“

  1. Benutzer Icon
    Sven

    Ein wunderschöner Abenteuerspielplatz 😉

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      Oh ja, du würdest dort glaube gut deinen Spaß haben.

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    Ron

    Ende August / Anfang September 2022 ist es auch für mich soweit. Vielen Dank für die authentisch beschriebenen Eindrücke.

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      Viel Spaß beim Erkunden der Region!

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    Andreas

    Faszinierende Natur.
    Und dann wieder genug Zeit auf dem Rad um die zu begreifen.
    Danke für die spannenden Berichte.

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      Ja, extrem faszinierend – völlig anders von dem was ich bisher so bestaunen durfte. Gern 🙂

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    Chrissi

    Toll! An diesem Ort hätte ich dich zu gern begleitet. Wahnsinnig spannend!

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      Bestimmt auch ein ganz gutes Reiseziel für euch – die Türkei zu bereisen macht definitiv sehr viel Spaß.

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