0,1 Ls in 25 Monaten – Langsamer als das Licht

Langsamer als das Licht aber weit genug, um schon mal astronomische Einheiten raus zu holen. Vor ein paar Tagen habe ich eine Zehntel Lichtsekunde geknackt, nach knapp über 25 Monaten auf Tour.

Da, guckt! Eine Zehntel Lichtsekunde ist geschafft!

Hä, was? Die Lichtsekunde ist eine astronomische Längeneinheit. Eine Lichtsekunde misst die Strecke, die das Licht im Vakuum innerhalb einer Sekunde zurücklegt: 299.792,46 Kilometer. Ein Zehntel davon habe ich nun bereits auf dieser Radreise zurückgelegt, also 29.979 Kilometer. Im Vergleich zum Licht, was diese Distanz in einer Zehntelsekunde zurück legt, bin ich also ziemlich langsam unterwegs. Wenn es mit dieser Geschwindigkeit weiter geht, würde es noch rund 27 Jahre dauern, bis ich überhaupt erst mal beim Mond ankommen würde, von anderen Planeten ganz zu schweigen. Aber gut, Saturn oder Venus waren ja auch nicht unbedingt das Ziel dieser Reise – dahin bin ich also noch nicht abgebogen.

Bin dann doch gerade aus geradelt. Sicher ist sicher.

Abgebogen wurde nun aber doch etwas öfter. Auf der Karte ist eindeutig zu sehen, dass die Route bisher keinesfalls geradlinig war. Aber das ist es was ich an diesem langsamen Reisestil so schätze, einfach genügend Zeit zu haben auch mal links oder rechts abzubiegen. Schon des öfteren sind mir andere Radreisende begegnet, die ein tägliches Pensum von 150 Kilometern haben. Die Route ist dann meistens auch schon recht präzise fixiert. Das wäre überhaupt nicht mein Fall. Für mich gibt es meistens nur eine grobe Richtung wo es hin gehen soll, die nächste Tagesetappe wird dann abends im Zelt geplant, manchmal sogar am nächsten Tag mehrfach noch abgeändert.

So sieht eine Zehntel Lichtsekunde mit dem Rad auf der Landkarte aus.

Eine größere Änderung der Route gab es Anfang des Jahres als klar wurde, dass es ohne Flieger nicht weiter gen Osten in Richtung Pamir Highway gehen würde. Aserbaidschan war und ist immer noch auf dem Landweg zu, Russland hatte ich aktuell ausgeschlossen und vom Iran aus über Turkmenistan nach Usbekistan weiter zu reisen war Ende letzten Jahres aufgrund geschlossener Grenzen nicht möglich. Frühjahr und Sommer diesen Jahres ging es also durch Europa, sehr gespannt war ich auf Moldawien. Rumänien von dem ich eigentlich ebenso wenig wusste, hat mich wahrlich von den Socken gehauen mit seiner ganzen Diversität und den vielen schönen Landschaften. Bei einer Runde durch die heimatlichen Gefilde wurden zahlreiche Freunde und Familie besucht, das Tier sowie das andere Equipment etwas aufgefrischt und dann der Weg in Richtung Südwest-Europa eingeschlagen. Dahin bin ich immer noch unterwegs und auch dort soll noch nicht Schluss sein.

Vor ein paar Tagen wurde mir die Frage: „Ist es denn so, wie man es sich immer vorstellt?“. Keine schlechte Frage, aber wie stellt man sich es denn immer vor? Jeden Tag Scenic Drives, perfekte Campspots, Rückenwind bei sonnigem Wetter um die 25°C? Mit Sicherheit ist es kein konstantes Instagram-Leben, bei dem ich nur durch Bilderbuchorte oder Bilderbuchlandschaften radel.

Ist es denn so, wie ich es mir immer vorgestellt habe? Ja und nein. Die Reise dauert nun schon so lange an, das Erwartungen und Erlebtes auch schon etwas miteinander verschmelzen – ein gutes Zeichen davon, dass schon ziemlich viel des Erwarteten eingetreten ist. Aber ich habe mich halt auch auf dieses neue Leben eingestellt. Und ich bin ja nicht ohne Grund immer noch unterwegs. Das Setup wurde ja gerade erst diesen Sommer in der Heimat generalüberholt – ich habe definitiv noch nicht genug, ich genieße dieses Leben gerade sehr!

Eines der kleineren Probleme aber frustrierend, wenn es zur täglichen Übung wird, weil man einfach nichts findet: Platten. Eine Serie von ungefähr 10 davon gab es diesen Sommer in Deutschland …

Aber es gibt halt auch ständig Probleme zu lösen, manchmal fast täglich – dies ist etwas, worauf man sich einlassen muss. Feste Pläne werden bei so einer Reise mit Sicherheit nicht immer aufgehen, man muss zu Kompromissen bereit sein, zu Planänderungen, man muss aber auch resilient sein. Gleichzeitig wächst man aber auch in diesen Fähigkeiten, sofern man sich drauf einlässt und nicht den Kopf in den Sand steckt.

Etwas was Bilder oder Videos definitiv nicht einfangen können, das ist das absolute Glücksgefühl. Von den Momenten wo sich dieses Gefühl bei mir einstellt, habe ich seit der Reise unglaublich viele. Dann sitze ich beispielsweise auf dem Fahrrad und möchte darauf während der Fahrt tanzen, so sehr drückt es dann die Energie heraus. Oder ich stehe einfach nur mit einem übermäßigen Grinsen vor irgendetwas, staune, genieße den Moment.

Glücklich und staunend – oben auf dem Klausenpass, Schweiz 08/23.

Es war so richtig im Sommer 2021 los zu radeln. Worauf hätte ich warten sollen? Wann, wenn nicht jetzt?!

Kommentare

4 Antworten zu „0,1 Ls in 25 Monaten – Langsamer als das Licht“

  1. Benutzer Icon
    Annika

    Binni, diese “Zacke” von Nord nach Süd und wieder zurück, die du jüngst zwischen Deutschland und der Schweiz geradelt bist… kurz habe ich überlegt, ob du nun künstlerisch tätig wirst und quasi „Bilder“ in die Landkarte zeichnest…. Dann wäre das vielleicht ein Zahn eines Elefanten oder eines Dinos…. Aber der Rest ergibt kein sinnvolles Motiv auf der Landkarte, darum habe ich den Gedanken wieder verworfen. Allerdings wär es mal ein Projekt, z.B. den Schriftzug „Binni“ mittels Radroute quer über Europa zu verteilen….

    Sei weiterhin froh, dass du mit ausreichend Zeit die bisherigen Kilometer absolvieren konntest. Nur so hattest du auch Zeit und Gelegenheit einen Teil der gesehenen Dinge fotografisch auf Bildern zu speichern. Bei einer Reisegeschwindigkeit von einer 1/10 Lichtsekunde, hätte selbst die beste Kamera kein eindrucksvolles Erinnerungsbild zaubern können.

    Grüße!

    1. Benutzer Icon

      Bildförmige Tracks auf Landkarten abfahren machen schon genügend andere, damit fang ich jetzt nicht noch an. Aber was den Abstecher angeht – ich glaube die Weltumradelung ist langsam zu einer Weltumirrung geworden, Spaß macht es aber trotzdem jede Menge!
      Viele Grüße zurück 🙂

  2. Benutzer Icon
    Andreas

    Zum 23456km Artikel schrieb ich dir im April diesen Jahres:

    23.456.000m
    23.456.000.000mm
    Oder einfach nur 0,07824 Lichtsekunden.
    Apropos:
    Ich finde du solltest 29.979 km anpeilen.
    0,1 Lichtsekunde :-).

    Liebe Grüße ans Tier …
    Du Verrückter. 😉

    Jetzt:
    Gratuliere ich zu diesem Meilenstein. 😇

    Übrigens: 0,1 Lichtsekunde = 16187 Meilen.🤭

    Alles Glück der Welt für dein Lebensprojekt.

    1. Benutzer Icon

      Vielen Dank!
      Ja, die Idee mit der Zehntel Lichtsekunde war äußerst gut, der Kilometerstand musste festgehalten werden und war ein guter Anlass hier mal wieder etwas Aktuelles von sich zu geben.

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