Transnistrien – ein spezielles Fleckchen Erde

Haus des Sowjets.

Im Osten Moldawiens gibt es einen Landstreifen zwischen dem Fluss Dnister und der Ukrainischen Grenze, der meist nicht breiter als 10 Kilometer ist und von dem de-facto Staat Transnistrien beansprucht wird. Wobei Transnistrien die umgangssprachliche Bezeichnung ist, selbst nennt sich der nur von Russland gestützte Staat „Pridnestrowische Moldauische Republik“, abgekürzt mit PMR. Mit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich der Landstrich von der Republik Moldau nach einem kurzen Krieg 1992 abgespalten, da dort die Unabhängigkeit von der Sowjetunion/Russland wohl nicht erwünscht war. Die Russischen Truppen haben letztendlich Transnistrien nie verlassen und geben dem de-facto Staat damit eine Sicherheitsgarantie gegenüber Moldawien.

Die scheinbar immer noch vorhandene Liebe zur nicht mehr existierenden Sowjetunion wird in Transnistrien allerorts sichtbar. Auf Flagge und dem Staatswappen thronen Hammer und Sichel, in der Hauptstadt Tiraspol gibt es das Haus der Sowjets mit einer Spitze auf der ein Sowjetstern sitzt und auch sonst gibt es überall Reminiszenzen an die Sowjetunion. Gesprochen wird Russisch, die Landeswährung ist der Transnistrische Rubel. Für mich eher eine Art Spielgeld, denn tauschen kann man es nur in dem Land, wo es übrigens keine Möglichkeit gibt eine Visa- oder Masterkarte zu verwenden mangels Anbindung an das internationale Geldsystem. Die kleinen Scheine wirken aus der Zeit gefallen, wobei es diese Währung erst seit 1994 gibt. Vier verschiedene Münzen gibt es auch, jedoch ist nur eine davon kreisrund, die anderen haben jeweils eine andere Form. Und sie sind aus Kunststoff – ein Unikum auf der Welt. Im Alltag hab ich diese jedoch nicht gesehen, sie haben sich in der Bevölkerung scheinbar nicht durchgesetzt und werden dafür jetzt von den Banken im Sammlerset zu einem Preis über Wert an bekloppte Touristen wie mich verkauft.

Skurrile Münzen, Hammer und Sichel – Willkommen in Transnistrien!

Die Einreise nach Transnistrien war im Übrigen kein Problem. Von der Moldawischen Hauptstadt Chișinău kommend fuhr ich recht direkt nach Bendery. Kurz vor der Grenze passierte ich einen Posten der Republik Moldau der nur einen Blick in meinen Pass warf und mir viel Glück wünschte. Die Transnistrier spielten dann schon eher richtig Grenze, gaben mir allerdings keinen Stempel in den Pass sondern den Ausdruck eines Thermodruckers, worauf mein Name, Passnummer, die 10 Tage Gültigkeit (die Dauer konnte ich selbst wählen) und die Adresse der von mir angegebenen Unterkunft standen (glücklicherweise hatte ich vorher schon ein Hostel in Tiraspol rausgesucht, kontrolliert hat am Ende aber keiner). Als es ein paar Tage später zurück ging, ließ mich der Militärposten der ersten angesteuerten Grenze nicht passieren – sie war wohl nur für Einheimische, ein paar Kilometer weiter nördlich ging es aber ohne Probleme.

Bendery war also meine erste Station in Transnistrien. Kurz hinter dem Ortseingang wehten an der ersten größeren Kreuzung drei Flaggen: Die bereits erwähnte Staatsflagge mit Hammer und Sichel, eine Flagge des Verwaltungsbezirks Bender und eine, die ich als russische Flagge interpretierte. Von dem speziellen Verhältnis der PMR zu Russland wusste ich natürlich schon. Später lass ich allerdings, dass Transnistrien zwei Staatsflaggen hat, eine davon exakt in den Farben wie die der Russischen, jedoch im Seitenverhältnis 1:2 und nicht 2:3 wie beim „großen Bruder“. Der Verkehr war in diesem Stadtteil eher ruhig, ganz in der Nähe befand sich ein verlassener Vergnügungspark, von weitem schon am rostigen Riesenrad zu erkennen. Ein kleines Stück weiter in Richtung Stadtzentrum lag ein recht großer Militärfriedhof – architektonisch so angelegt, dass den Gefallenen schon eine Art Heldenstatus zukommt. Direkt davor steht ein Denkmal für Grigori Alexandrowitsch Potjomkin, einem ehemaligen Militär der wesentlich für die Eroberung Neurusslands (1764 gebildet) verantwortlich war. An Denkmälern sollte ich in Transnistrien noch zur Genüge vorbei kommen. Im Grunde genommen stehen dort überall irgendwelche Denkmäler herum, meistens wirkten sie auf mich immer etwas aus der Zeit gefallen und hatten einen sowjetischen Touch. Beim Bereisen von Nachfolgestaaten ehemaliger Sowjetrepubliken habe ich ja schon so einige dieser Denkmäler, Mosaike und so weiter gesehen – die Dichte davon in Transnistrien war aber unglaublich hoch. In Transnistrien wurde davon definitiv noch nichts entfernt, ehern wurden noch mehr Denkmäler geschaffen – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Sezzesion von der Republik Moldau. Diesbezüglich stand in Bendery auch ein Panzer als Denkmal herum. Aber auch in Tiraspol fand ich ein Panzer-Denkmal, auf mich hatte das eine gruselige Wirkung.

Erste Eindrücke von Transnistrien in Bendery.

Ich wollte gerade vom Militärfriedhof weiterfahren, da kam schon das nächste Fotomotiv herangefahren – ein scheinbar uralter Elektrobus. Spätestens hier war mir klar, was die Hostelmitarbeiterin in Chișinău mit „unserer kleinen Zeitmaschine“ meinte, als sie über Transnistrien sprach. Doch um jetzt keine falschen Eindrücke zu verwechseln – in diesem kleinen Land ist bei weitem nicht die Zeit stehen geblieben, vieles ist genauso neu und modern wie bei uns – gleich gegenüber der von dem Bus angesteuerten Haltestelle war beispielsweise eine „Hiteck“-Filiale, so was wie eine russische Version von Mediamarkt. Die Straßen befinden sich in einem guten Zustand, ein Teil der Gebäude sah renoviert aus, die PKWs und LKWs sind überwiegend modern, auf Werbeplakaten prangen riesige QR-Codes, es gibt Kebap- sowie Pizzarestaurants, doch dazwischen ist dieses Land halt immer auch mit Dingen aus einer längst vergangenen Zeit gespickt, wie eben diesem Bus oder auch den unzähligen Denkmälern. Oder auf einer Straßenbaustelle in Tiraspol wo die Bordsteine auf einem PKW-Anhänger gezogen von einem alten Lada herantransportiert wurden, die Arbeiter in einem Bauwagen aus sowjetischer Zeit pausierten und einen uralten Traktor mit Greifarm für die Baggerschaufel nutzten. Bei diesem Mix aus längst Vergangenem und der heutigen Zeit werden die Kontraste nun einmal besonders deutlich.

Die Festung von Bendery.

Als der Bus weg war, rollte ich nun wirklich ein Stück weiter, diesmal bis zur Festung von Bendery. Die Festung sah wie eine aus dem Bilderbuch und wird seit 2008 aufwändig restauriert. Es gab zwar ein paar kleine Ausstellungen in einigen der Räume aber wie so oft bei „zu gut restaurierten“ Gebäuden, wirkte auf mich alles etwas zu steril. Trubel war vor Ort keinesfalls, mehr als vier oder fünf weitere Besucher waren nicht anwesend – mit dem lächerlichen Eintrittsgeld werden sich die Renovierungsarbeiten so definitiv nicht eintreiben lassen. Es ist wohl eher ein Versuch der PMR sich einen Touristenmagnet zu verschaffen und so mehr Leute ins Land zu locken. Für einen aktiven Tourismus wird das kleine Land aber noch einiges mehr als nur diese Festung brauchen, bisher scheinen eher nur ein paar auf Skurrilitäten ausgerichtete Touris wie ich das Land zu besuchen, oftmals als Tagestrip von Chișinău aus.

Bevor es über den Dnister weiter in die Hauptstadt Tiraspol ging, knipste ich noch ein paar weitere Denkmäler und Bauten in Bendery: Wieder mal eine Flamme der Ewigkeit zur Erinnerung an die Gefallenen aus dem Großen Vaterländischen Krieg, zwei andere militärische Denkmäler, ein Mosaik an einem vermutlich kommunalen Gebäude und eine ziemlich abgefahrene Überwachungshütte der Polizei mitten im zentralen Kreisverkehr der Stadt. Selbstverständlich hätten noch weitere Denkmäler für die Archivierung auf der Speicherkarte zur Verfügung gestanden, aber ich wollte ja keinen Katalog erstellen.

Denkmäler und andere Spuren des Sowjetischen Einflusses gibt es in Bendery zur Genüge.

Der Verkehr hinein in die Hauptstadt war dann schon sehr dicht – erstaunlich wie viel in so einem kleinen Land los sein kann. Links der Straße lag das große, moderne Stadion vom FC Sheriff Tiraspol – dem Rekordmeister der Moldawischen Fußball-Liga. Das Sheriff-Logo hatte ich aber schon zuvor an Supermärkten und Tankstellen gesehen, nicht etwa wegen dem Fußball-Verein sondern wegen dem dazugehörigen Konzern. Zwei ehemalige KGB-Agenten haben diesen Konzern gegründet, dem unter anderem noch der Spirituosen-Hersteller Kvint, ein Fernsehsender oder auch der einzige Mobilfunkanbieter Transnistriens gehört. Auf Wikipedia bekommt man einen noch besseren Eindruck, was diesem Konzern alles gehört und dessen Einfluss in die Landespolitik – man könnte meinen, dass er fast die komplette moldawische Wirtschaft stemmt. Schon interessant, wenn man sich mit überzeugten Bewohnern Transnistriens unterhält, die sehr stolz darauf sind, dass bei ihnen alles in ordentlichen Bahnen läuft und es nicht so korrupt wie im „Nachbarland“ Moldawien zu geht. Ebenso interessant ist die Tatsache der sinkenden Einwohnerzahlen, wo doch alles so gut sein soll – aber die Löhne und Arbeitssituation scheinen es dann wohl doch nicht zu sein. Dafür scheint es aber ziemlich einfach zu sein, sich auf Dauer in Transnistrien niederzulassen. Zumindest im Hostel-Kontext bin ich in der kurzen Zeit schon auf drei Herren gestoßen, die alle ihre eigene skurrile Geschichte hatten im Land zu bleiben. Was von der Verfolgung französischer Staatsbürger oder aber der steuergünstigen Möglichkeiten eine Firma in dem Land zu registrieren nun wahr oder doch eher eine Käpten-Blaubär-Geschichte ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Es zeigte sich aber wieder einmal, dass Hostels immer gute Anlaufpunkte sind um sehr schräge Menschen kennen zu lernen.

Spaziergang durch Tiraspol.

Dreh- und Angelpunkt ist in Tiraspol die Straße des 25. Oktobers. Es ist diejenige Straße, welche besonders herausgeputzt ist. An ihr liegen viele der wichtigen beziehungsweise skurrilen Sehenswürdigkeiten und die Gebäude mit den schönsten Fassaden. Vom Sitz der Regierung, dem De Wollant Park mit einer riesigen Katharina der Großen Skulptur, der Stadtverwaltung im Haus des Sowjets oder dem Theater scheint alles Bedeutende an dieser Straße zu liegen. Natürlich gibt es da auch noch zahlreiche Banken, kleine Lädchen, Restaurants und jede Menge von Denkmälern. Ein Ort um das ganz normale Leben zu beobachten: Menschen die Einkaufen gehen, Pärchen die flanieren, Menschen die auf den Bus warten, Menschen die in ihr Smartphone starren. Die anderen Straßen wirkten auf mich weniger prunkvoll, obgleich es überall super sauber war. Genau genommen in ganz Transnistrien – Müll der in irgendwelchen Ecken oder im Straßengraben lag habe ich nicht gesehen. Ebenso schienen Zebrastreifen und rote Ampeln heilig zu sein – alles nach Vorschrift und Ordnung. Die Wohngebäude im Stadtzentrum waren hauptsächlich Plattenbauten oder andere größere Wohnanlagen, renoviert und wohnlich sahen davon nur einige aus. Kleinere Mehr- oder Einfamilienhäuser sind mir im Zentrum nicht in Erinnerung geblieben.

An mehreren Stellen in der Stadt vielen mir kleine „Kvint“ Geschäfte auf, selbst auf einem Hochhaus prangte die Kvint Reklame. Die Filiale in die ich einen Abstecher machte war gut besucht – im Grunde genommen war es ein großes Spritregal mit einem Tresen davor, an dem man sich seine Ration bestellte. Ich nahm eine Flasche des Brandys mit, der trotz des niedrigen Preises von unter drei Euro für einen halben Liter ziemlich gut schmeckte, es scheint das bekannteste Produkt von Kvint zu sein, auch in den Supermärkten der Republik Moldau ließ sich dieser Tropfen erstehen.

Unterwegs im ländlichen Transnistrien.

Von Tiraspol aus ging es ein Stück weiter nördlich ins Land. Die Dörfer sahen klassisch moldawisch aus, kleine Häuschen – oft mit liebevollen detaillierten Verzierungen, nur noch zu einem bestimmten Anteil bewohnt, viele Bauten so langsam vor sich dahin vegetierend. Das alles in einer landwirtschaftlich geprägten Umgebung in der es eher ruhig zu ging. Es war in etwa so reizvoll wie die langweiligen Agrarlandschaften des restlichen Moldawiens.

Nach vier Tagen war mein Durst nach diesem kleinen Land gesättigt, es war Zeit den Ausdruck des Thermodruckers wieder abzugeben.

Reisetipps

  • Was die Grenzsituation angeht: Wie schon oben erwähnt, ihr müsst beim Grenzübertritt eine Unterkunft für euren Aufenthalt angeben. Sucht euch einfach bei Google Maps eine Unterkunft aus und nennt an der Grenze den Namen. Die Beamten da haben eine Liste, wo sie die Adresse raus suchen. Kontrolliert wird am Ende eh nicht. Ich war auch nur ein paar Nächte im Like Home Hostel in Tiraspol, ansonsten habe ich einfach wild kampiert. Weiterhin ist zu beachten: Ihr bekommt keinen Ausreisestempel von der Republik Moldau, wenn ihr nach Transnistrien reist – denn die PMR ist von denen ja nicht anerkannt. Passt also auf, dass ihr insgesamt die Aufenthaltsdauer eures Moldawischen Touristenvisums nicht überschreitet, das läuft nämlich weiter. Wenn ihr über die Ukraine ausreist, habt ihr am Ende keinen Moldawischen Ausreisestempel, könnt also beim nächsten Mal in Moldawien Probleme bekommen. Umgekehrt wird es auch Probleme geben, wenn ihr von der Ukraine kommend, durch Transnistrien in die Republik Moldawien einreist – das dürfte dann ein illegaler Grenzübertritt sein.
  • Geld könnt ihr recht einfach bei den Banken in Transnistrien tausche – ich habe zweimal Kleinstbeträge getauscht, um letztendlich nicht zu viel von dem Spielgeld zu haben, denn alles was ihr davon zu viel habt, werdet ihr außerhalb Transnistriens nicht mehr los. Akzeptiert werden auf den Banken ohne Probleme Euro, Dollar und Rubel.

Reisezeit: April 2023

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