Prachtvolle Wüstenvegetation.
Es gibt so einige Routen die unter Reiseradlern schon fast Klassiker zu sein scheinen. Was in Georgien die Mestia-Ushguli-Lentekhi-Runde war, schien im Iran die Isfahan-Varnazeh-Nadushan-Yazd-Strecke zu sein. Wenn auch landschaftlich völlig anders. Schon des öfteren hatte ich von dieser Wüstenetappe gehört und freute mich riesig darauf diese nun selbst in Angriff zu nehmen. Im Hostel in Isfahan traf ich zum dritten mal wieder auf Matthias und freute mich sehr, dass er ähnliche Pläne hatte und wir so letztendlich gemeinsam los radelten.
Anhand des Titels dieses Artikels könnte man meinen, dass es bis zu dieser Etappe nicht durch die Wüste gegangen sei. Doch das stimmt so eigentlich auch nicht, denn der Großteil des Irans ist nun mal durch Wüsten oder Halbwüsten geprägt. Und durch diese Gebiete hatte ich bis zu dieser Etappe auch schon hunderte Kilometer zurückgelegt. Aber trotzdem sollte das hier anders werden. Anders deshalb, weil es diesmal durch eine noch viel viel dünner besiedelte Region gehen sollte, teilweise auf Straßen die fast gar nicht befahren werden. Für einen Abschnitt der Strecke war es ratsam für zwei (zur Sicherheit besser drei) Tage Wasser mitzunehmen, da es unterwegs keine Möglichkeit zum Auffüllen geben würde. Es ging also durch eine sehr abgelegene und äußerst trockene Region.
Kostbares Gut im Iran: Wasser. Im Hintergrund stehen einige der historischen Taubentürme.
Bis zum Verlassen der Zivilisation war es aber von Isfahan aus noch ein Stück. Der Großstadt entkamen wir ganz gut ohne großes Verkehrschaos und radelten auf einmal ganz nah an einer „Nuclear Area“ vorbei. Eigentlich sind das die Stellen, die man als Tourist im Iran versucht zu umgehen, um nicht plötzlich als vermeintlicher Spion festgesetzt zu werden. Aber wir wussten gar nicht, dass solch eine Anlage ganz in der Nähe unserer Route liegen würde und hatten gleichzeitig auch Glück, von keiner Polizeikontrolle belästigt zu werden. Die Landschaft sah kurz hinter Isfahan schon wieder recht öde aus, wenn auch an einigen Stellen noch etwas Landwirtschaft betrieben wurde. Wo das Wasser dafür her kam, war mir allerdings rätselhaft. Der in Isfahan ausgetrocknete Zayandeh Rud hatte in Ezhieh zwar etwas Wasser stehen – geflossen ist da aber nichts. Dort konnten wir auch einige der historischen Taubentürme bestaunen. Diese wurden errichtet um Tauben zur Düngerproduktion für die unfruchtbaren Felder zu halten. Die Perser machten damals also Sche*** zu Gold.
Nur ein paar Kilometer weiter schlugen wir unsere Zelte in einer „Grünanlage“ an einem Mausoleum auf. Das Mausoleum selbst war im Grunde auch nur eine Moschee, vielleicht noch etwas prunkvoller gestaltet als so schon üblich. Darin war dann ein Grab eines geistlichen VIP – wir waren dann aber eher vor der Infrastruktur vor dem Mausoleum angetan. Die Grünanlage bestand aus parallel zueinander angeordneten Betonstreifen auf denen die Teppiche zum Picknick ausgebreitet werden konnten und Streifen dazwischen mit Kiefern. Den anwesenden Fuchs konnten wir mit Steinen vertreiben, die Iranis verschwanden nach dem letzten Gebet ohne unser Zutun, so dass wir eine ruhige Nacht hatten. Leider kann ich kein Bild dieses prachtvollen Schlafplatzes vorzeigen, es gelingt mir nach wie vor nur viel zu selten auch hässliche Dinge zu fotografieren.
Am nächsten Morgen konnten wir einen Schuljungen bei seiner scheinbaren Morgenroutine beobachten. Er kam auf seinem Motorrad daher gefahren, drehte ein paar Runden um die Grünanlage, parkte dann vor dem Spielplatz und verzog sich im Anschluss für unbestimmte Zeit in eine Röhre des Klettergerüsts. Vermutlich hat er da auf seinem Handy herum gedaddelt, um die für ihn überflüssigen Schulstunden auszuharren. Wären noch mindestens zwei seiner Kumpel mit am Start gewesen, so hätten sie vermutlich direkt vor unserer Müslischüssel mit ihren Mopeds gehalten, gestarrt, versucht unsere Räder zu betatschen, blöde gefeixt und permanent auf Farsi versucht mit uns zu kommunizieren – ohne auch nur zu realisieren dass wir sie nicht verstehen. Doch uns war das Glück treu, seine Kumpels schienen die Schulbank zu drücken. Wir radelten dann jedenfalls in Richtung Varzaneh los, kauften dort nochmal Lebensmittel für die kommenden drei Tage und luden ordentlich Wasser auf.
Erster Tag, wo es so richtig in die Wüste ging.
Direkt hinter dem Ortsausgang von Varzaneh zweigte unser Weg von der großen Straße ab und wir befanden uns direkt in der Wüste. Endlich! Ja es war heiß, es gab keine Deckung vor der Sonne und bis auf den hinunter rinnenden Schweiß war es staubtrocken. Doch genau hier war ich richtig, hier wollte ich hin. Die folgenden drei Tage sollte es nun durch die Einöde gehen, auf einsamen Straßen ohne permanenten Verkehr.
Unter unseren Rädern hatten wir Asphalt, zwar nicht den besten aber trotzdem noch gut genug um vernünftig voran zu kommen. Hin und wieder mussten wir Stoppen – Fotopause. Matthias hatte ich bereits vor der Tour gewarnt, dass die Kamera nicht die ganze Zeit in der Tasche bleiben würde. Ihn schien es nicht zu stören – oder ertrug er es nur aus Höflichkeit? Egal, er war jedenfalls vorgewarnt. Auch war es äußerst praktisch mal wieder einen Radler als Fotomotiv zu haben, ebenso drückte er auch mal auf den Auslöser. Vielen Dank dafür! Und auch wenn es eigentlich eine ziemlich öde Landschaft war, so gab es doch genug Fotomotive. Da waren zum Beispiel Spuren längst vergangener Niederschläge die sich in der aufgeplatzten oberen Lehmschicht widerspiegelten, verschiedene Texturen von Sand, Berge im Hintergrund oder die vertrocknete Wüstenvegetation – alles Dinge die man sonst halt nicht so oft zu sehen bekommt. Besonders interessant war dann auch eine verlassene Siedlung aus alten Lehmhütten. Keine Ahnung wie alt diese waren, für uns waren sie jedenfalls passend für die Mittagspause. Ich war wieder einmal erstaunt wie gut diese natürliche Bautechnik funktionierte, denn im Inneren der Hütten war es angenehm kühl, so dass das Päuschen recht angenehm war. Vielleicht sogar etwas zu angenehm, denn etwas später am Tag verabschiedete sich das Tageslicht eine Stunde zu früh.
Es waren dann noch ein paar Kilometerchen, die sich gegen Tagesende doch ganz schön zogen bis zu unserem erklärten Ziel, einer alten Karawanserei. So gab es den Sonnenuntergang unterwegs statt am Ziel. Als kleine Entschädigung tauchten dann im Abendlicht ein paar Dromedare auf – hier mussten wir natürlich wieder für ein paar Fotos stoppen. Ungefähr fünf Kilometer vor unserem Ziel verabschiedete sich dann der Asphalt. Im Gegenzug dafür gab es jetzt einen sandigen Fahrweg. Im Dunklen war es auch tatsächlich nicht so einfach zu erkennen, welche Stellen etwas fester und damit fahrbar aussahen – es hieß nun immer wieder Stückenweise schieben.
Irgendwann hatten wir aber auch das geschafft und standen vor der alten verlassenen Karawanserei. Würden wir allein sein? Oder waren vielleicht andere Reisende da oder gar Einheimische? Da es bereits stockdunkel war, hofften wir aus Sicherheitsgründen tatsächlich auf die erste Variante. Die Räder parkten wir noch ein Stück vor dem riesigen Gebäude und inspizierten erstmal mit unseren Lampen das Innere. Puh, Volltreffer – wir hatten die ganze Karawanserei für uns. Die Räder waren schnell nachgeholt, jeder fand einen geeigneten Platz für sein Zelt und als das alles stand ging es endlich ans Kochen und Entspannen. Matthias war bereits schlafen gegangen, als ich noch ewig versuchte den gigantischen Nachthimmel mit der Kamera einzufangen und dabei die Karawanserei geschickt zu beleuchten.
Zu Gast in der verlassenen Karawanserei.
Als es am nächsten Morgen dämmerte, war es Zeit die Karawanserei endlich mal richtig zu erkunden. Ein traumhafter Lost Place! An einigen Stellen hatte man Stützbalken eingezogen und auch mit ein paar Steinquadern nachgeholfen, um das Gebäude zu stabilisieren. Richtig restauriert war es aber noch nicht, zum Glück. Denn der Charme den dieser Ort versprühte war einmalig. Zu viel „neu“ hätte das schon wieder zerstört. Auch war die Karawanserei noch ziemlich gut erhalten. Am Haupteingang gab es eine verwinkelte Treppe, die auf das Dach hinauf führte. Es fühlte sich an, wie in einem Computerspiel eine Geheimtür in einen wunderschönen Geheimraum gefunden zu haben. Die Sonne war erst ein paar Minuten zuvor aufgegangen, als wir das Dach mit seinen unzähligen runden Kuppeln erkundeten – das Licht war noch so weich und verlieh dem Ganzen etwas Magisches.
Ein neuer Tag bricht an.
Die ersten Kilometer diesen neuen Tages sollten fast genauso anstrengend wie die letzten vom Vorabend werden. Der Weg war schlichtweg eine Sandpiste. Aber es war nun zumindest hell und so ging es letztendlich doch etwas besser. Irgendwann wurde der Untergrund auch fester und damit viel besser fahrbar, bis wir dann auf einer nur noch auf die Asphaltschicht wartenden künftigen Straße unterwegs waren. Eigentlich schade, denn wenn diese Verbindung demnächst gut asphaltiert ist, wird es wohl mit der Stille und dem super einsamen Wüstencharme vorbei sein. Circa 20 Kilometer nach der Karawanserei und eine gute Weile später hatten wir dann wieder Asphalt unter unseren Reifen. Ein kleines Stück weiter, angelangt auf dem höchsten Punkt der Tour, dozierte ich fachgemäß, dass die gerade Linie da hinten in der Ferne die Eisenbahnlinie nach Yazd sei. So richtig glauben wollte mir Matthias nicht. Wir rollten weiter, nun bergab. Weiter und weiter. Die gerade Linie kam näher und entpuppte sich als unsere Straße, die dann kerzengerade gefühlt ewig wieder bergauf führen sollte. Soviel zu meinem Fachwissen und der ausgiebig studierten Karte. Mit dieser unspektakulären Bergpassage und dem doch etwas wehenden Wind ging mir irgendwie die Puste aus und ich war froh, dass Matthias an der nächsten Kreuzung wartete. Es war wirklich Zeit für die Mittagspause. Matthias freute sich schon riesig auf die eingelegte Paste aus Paprika und anderem Gemüse, die es aufs Brot geben sollte – den Tag zu vor hatte er mich überredet gleich zwei Gläser davon zu kaufen, das würde gut abgehen. Die Kombination aus Säure und Schärfe war dann allerdings doch nicht, was er sich vorgestellt hatte – am nächsten Tag verzichtete er freigiebig auf seine Portion.
Zweiter Wüstenabschnitt: Werden wir einen Parkplatz finden?
So richtig weit bis zum Tagesziel war es eigentlich nicht mehr, doch der etwas anstrengendere Vormittag machte sich bemerkbar, genauso wie der Gegenwind. Wir wechselten uns im Windschattenfahren ab – schon praktisch zu zweit. Am späten Nachmittag war es dann auch endlich geschafft, das Wüstendorf Nadushan war erreicht. Von anderen Radreisenden wussten wir, dass es hier eine günstige Unterkunft geben sollte. Doch da wo die Karte eine Herberge verzeichnete, blieben die Türen verschlossen. Doch wir waren ja im Iran und so dauerte es nicht lange bis ein freundlicher Dorfbewohner vor uns her bis zur Burg von Nadushan fuhr. Ja richtig, diese Nacht sollten wir in einer Burg verbringen. Das Gebäude war wesentlich kompakter als die alte Karawanserei und liebevoll restauriert. Der Besitzer sprach nur ein paar Brocken Englisch, was seiner Gastfreundschaft jedoch keinen Abbruch tat. Hier waren wir wirklich bestens versorgt. Zum Entspannen auf dem Balkon wurden saftige Granatäpfel gereicht, zum Abendbrot gab es ein leckeres Eintopfgericht. Stolz spielte unser Gastgeber etwas auf der traditionellen Santur vor und zeigte anschließend die schon ein paar Jahre zurück reichenden Gästebücher vor. Wir waren bei weitem nicht die ersten Reiseradler, die er beherbergte.
Perfekte Unterkunft in der Burg von Nadushan.
Genauso lecker wie das Abendessen, war auch das Frühstück am nächsten Morgen. Unterkunft und Verpflegung waren dort echt top und das auch noch unglaublich günstig. Eigentlich hätte man hier noch gut einen Pausetag einlegen können, doch leider lief mein Visum am übernächsten Tag aus und musste dringend in Yazd verlängert werden. So nahmen wir dann den letzten Abschnitt in die Wüstenstadt in Angriff. Mit ungefähr 90 Kilometern nochmal ein ganz schönes Brett, doch sollte es hauptsächlich bergab gehen. Ohne fiesen Wind eigentlich gut machbar. Und wir hatten wieder Glück. Es rollte wie am Schnürchen. Einige Abschnitte kamen mir zwar schier endlos vor, doch vermutlich lag das schlicht an der Reizlosigkeit, denn meistens ging es nur gerade aus und ringsum gab es nur gähnende Weite zu sehen. Als „neues Element“ gab es Hochspannungsmasten sowie in der Ferne große Industriekomplexe zu sehen, die wir dann auch irgendwann passierten. Aber reizvoll waren auch diese nicht.
Auf dem letzten Abschnitt nach Yazd.
Doch diese Wüstentour wäre ja keine Traumtour, wenn nicht auch das Ende großartig wäre. Und das war es dann auch, denn irgendwann befanden wir uns in der wunderschönen Altstadt von Yazd. Frisch geduscht schafften wir es sogar noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang durch die Gassen zu streifen und den einmaligen Charme des Labyrinths aus Lehmbauten im Abendlicht auf uns wirken zu lassen.
Eine gute Gelegenheit, um hier nochmal ein paar Bilder aus der grandiosen Wüstenstadt Yazd einzuschmuggeln.
Dieser Ritt durch die Wüste ist eine meiner besten Erinnerungen an den Iran. Es war einfach perfekt. Einsamkeit, endlose absolut karge Weite, ausgezeichnete Wetterbedingungen und hervorragende Begleitung. Mitten in der Wüste die verlassene Karawanserei, das Dorf Nadushan und dann in der Wüstenstadt Yazd anzukommen – es hatte so viel Orientspirit wie ich mir erträumt hatte, es war meine eigene Geschichte aus Tausend und einer Nacht.
Praktische Infos
Für alle die die Strecke einmal selbst radeln wollen: Gemütlich sind es nicht drei sondern mindestens vier Tage. Der eigentliche Wüstenabschnitt beschränkte sich bei uns nur auf drei Tage. Mit Seiten- oder Gegenwind vermutlich eher fünf als vier Tage, dann sollte man gegebenenfalls auch mit dem Wasser etwas sparsamer sein.
Was die Versorgung angeht, so kann man in der kleinen Stadt Varzaneh noch gut einkaufen und sollte dort vor allem Wasser auffüllen. Verlässlich gibt erst ungefähr 120 Kilometer weiter in Nadushan wieder welches, sofern man keine eventuell vorbei kommenden Autofahrer anhält. Auf diesem Abschnitt, besonders kurz vor sowie nach der Karawanserei ging es für uns dank der Wegbeschaffenheit am langsamsten voran. Die Unterkunft in Nadushan in der alten Burg kann nur wärmstens weiter empfohlen werden. Der Besitzer ist äußerst gastfreundlich, es gibt gutes Abendessen und Frühstück – alles zu fast schon zu kleinen Preisen.
Reisezeit: Oktober 2022
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