„Rumänien – das sind die Karpaten, Bären, ärmliche Zustände aber trotzdem ein EU-Land.“ So in etwa sah mein Bild von diesem doch recht großen Land im Südosten Europas vor meiner Reise dahin aus. Ich wusste also nicht viel, zum Teil auch nicht unbedingt Rühmliches über das Land. Um so erstaunter war ich dann vor Ort, um genau zu sein war es für mich DIE Entdeckung dieses Jahr in Europa, ein Land wohin ich definitiv nochmal reisen werde.
Blick vom Turm der Kirchenburg Deutsch-Weißkirch.
Manchmal geht es ganz ungeplant in ein Land hinein, diesmal begann die Reise allerdings schon am Rechner mit einer kleinen Recherche. Interessante mögliche Ziele sammle ich dabei immer in einem Ordner bei Mapy.cz – diese lassen sich dann gesammelt auf der Karte anzeigen. Und für Rumänien waren das doch schon ganz schön viele Punkte, wovon sich leider nicht alle zu einer sinnvollen Route kombinieren ließen. Aber das Land liegt ja zum Glück nicht „am Ende der Welt“.
Anfang April war es noch etwas frisch und feucht, als ich von Bulgarien aus kommend an der Schwarzmeerküste des Landes entlang in Richtung Norden radelte. Aber das Ziel waren auch nicht irgendwelche Badestrände. Tourismus-Infrastruktur in den Badeorten gab es in Hülle und Fülle – die zahlreichen Bettenburgen sahen jedoch nicht nach meiner Sorte von Urlaub aus, zumal zu dieser Jahreszeit eh noch alles geschlossen war oder fleißig weitere Betonklötze dazu gebaut wurden. Ein Stückchen weiter nördlich ging es durch die Großstadt Constanța recht zügig durch. Interessant fand ich die Abwechslung in der Architektur der Plattenbauten, diese waren dort keineswegs immer nur klassische Quader. Vom großen Hafen konnte ich vom Rand auch ein paar Eindrücke bekommen – Constanța ist praktisch die Hafenstadt Rumäniens am Schwarzen Meer. Gleich außerhalb der Stadt lag ein größeres Industriegebiet der chemischen Industrie direkt am Meer. Als ich an diesen Anlagen vorbei war, wurde es dann langsam spannend. Die Landschaft war hier nun nicht mehr so dicht besiedelt, an der Küstenlinie lagen viele Feuchtgebiete und Seen, woran sich das riesige Donaudelta anschloss. Dieses ist im Grunde genommen wiederum ein einziges riesiges Feuchtgebiet, welches nur zu einem kleinen Teil über Landwege richtig erschlossen ist. Die Region ist landwirtschaftlich geprägt. Es gab kleine Dörfer die auf mich mal mehr und mal weniger bewohnt wirkten, klassische Ackerflächen und viel Platz für allerlei Vögel, Fische und andere Wasserlebewesen in den mehr oder weniger unter Wasser stehenden Gebieten. Einmal zeltete ich direkt neben einem frischen „Schilfschlag“ und konnte am nächsten Tag die zu Kegeln aufgetürmte Ernte bestaunen. So idyllisch wie das aussah, war die harte Arbeit dahinter garantiert nicht. Die nächste Nacht ging es dann etwas tiefer hinein ins Donaudelta an einen der zahlreichen Flussarme. Es war ein schön ruhiges Fleckchen, zumindest bis mal wieder eines der Schnellboote vorbei brauste. Hin und wieder kam auch ein kleines Boot jeweils besetzt mit zwei in dicke Jacken eingepackten Fischern daher geschippert.
Ein paar Kilometer stromaufwärts liegt die Kleinstadt Tulcea – auf Rumänischer Seite mit Sicherheit so etwas wie das Tor zum Donaudelta. In Tulcea gibt es einen Hafen, nicht nur für Containerschiffe sondern auch für die bedeutend kleineren Nussschalen, mit denen man sich durch das Donaudelta schippern lassen kann. Nur ein paar Kilometer weiter in Richtung Westen war ich mal wieder auf der Suche nach einem Campspot an der Donau und überholte dabei eine ewig lange Schlange an LKW. Sie hatten alle ukrainische Kennzeichen und wollten mit der Fähre über die Donau in ihr Heimatland. Es war schon ein schräges Gefühl nur durch einen Fluss von dem Land getrennt zu sein, welches aktuell durch Russland angegriffen wird. Tags darauf ging es auch für mich mit einer Fähre über die ziemlich breite Donau, allerdings noch ein paar Kilometer weiter flussaufwärts und damit komplett in Rumänien. Von da aus verließ ich das Land aber trotzdem erst einmal für ein paar Wochen nach Moldawien.
Hatte Rumänien mich mit eher feuchtem Wetter verabschiedet, so schien es bei meiner Rückkehr Freudentränen von oben zu geben und davon nicht zu wenige. Ein Grund einen kurzen Stopp in einer Unterkunft in der Bezirkshauptstadt Jassy einzulegen. So ganz ungelegen kam die Pause nicht, das Blog verlangte mal wieder nach etwas Aufmerksamkeit und so saß ich den Regen hinter dem Rechner aus ganz ohne eine Stadtbesichtigung. Gelohnt hätte die sich vermutlich schon, denn zumindest bei An- und Abreise sah die Stadt schon ziemlich interessant aus. Es gab jede Menge schöner Architektur, viel Leben und irgendwie versprühte die Stadt auch ein Flair von Kunst und Kultur. Wahrscheinlich ist Jassy schon mal einen Städtetrip wert.
Ein paar Eindrücke aus Jassy.
Mich zog es ein Stück weiter in den Westen, da wo es schon seit langem hin gehen sollte: In die Karpaten. Nachdem es Wochen lang nur durchs Flachland ging, war die Spannung groß endlich mal wieder in ein richtiges Gebirge hinein zu radeln. Anfangs war es noch eher hügeliges Gebirgsvorland und es waren auch noch ein paar kleinere Städte zu passieren, doch auf einmal war das moderne Rumänien verlassen und es wurde ruhiger. Die Dörfer durch die es nun ging wirkten alle samt historisch. Die Häuser und Gartenzäune waren zu einem Großteil aus Holz errichtet und äußerst detailreich verziert. Viele Dächer waren mit Holzschindeln gedeckt. Einige der Wohnhäuser verfügten zudem noch über ein besonders herausstechendes Dachelement über dem Eingangsbereich – eine Art lang gezogenes Türmchen mit einem bauchigen Körper und darauf aufgesetztem Spitzdach. Auffällig waren in diesem Gebiet aber auch die Grundstückstore: Die doppelflügligen Tore verfügten über zwei sehr hohe Torpfosten auf denen ein schmales über das Tor reichende Dach aufgesetzt war. Alles natürlich oftmals noch detailreich verziert.
In der Region wo ich nun unterwegs war hat man vor ein paar Jahren begonnen wieder Wisente auszuwildern, in freier Wildbahn sah ich natürlich keines. Doch ganz in der Nähe eines der zahlreichen Kloster stand eine domestizierte Herde auf der Weide. Die Tiere wirkten schon äußerst bullig und mächtig, ein toller Anblick. Ebenfalls wild in Rumänien zu Hause ist der Braunbär, vermutlich sind es aktuell sogar 7500 bis 8000 davon. Hin und wieder scheint es auch einige Bären auf der Suche nach Futter in die Dörfer oder auf die Viehweiden zu treiben. Die Diskussion um den Wolf in Deutschland lässt sich vermutlich aktuell recht ähnlich auf die um den Bären in Rumänien übertragen. Da ich ja mein Zelt irgendwie vermutlich auch im Wohnzimmer der Bären aufstellte, hatte ich schon etwas Bammel vor einem möglichen Kontakt. Allerdings schätzte ich die Gefahr in den viel höheren unzugänglicheren Südkarpaten viel höher als im Osten ein. Trotzdem waren mir manchmal die nächtlichen Geräusche beim Zelten nicht so geheuer, ungebetenen Besuch gab es jedoch nicht.
Eingang zur Bicaz-Schlucht.
Dichte grüne Wälder die sich über die Bergrücken zogen, ein malerisch gelegener Stausee und sich schön durch das Gelände windende kurvenreiche Straßen – die Landschaft war wunderschön für das Radlerauge. Ein kleines Highlight dieser Karpatenüberquerung war mit Sicherheit die Bicaz-Schlucht: Eine ziemlich tiefe Schlucht mit fast senkrechten Felswänden links wie rechts und dazwischen gerade genug Platz für einen rauschenden Bach sowie eine Straße. Ein Ort an dem man sich sehr klein fühlen und die Mächtigkeit der Natur bestaunen kann. Dass die Schlucht eine richtige Massenattraktion war, hatte ich nicht erwartet – bei meinem Besuch kutschten auch einige Reisebusse Touris durch die Schlucht, zudem kam mir eine recht große Gruppe von bestimmt 3 – 4 Schulklassen auf Exkursion entgegen.
Nach der Schlucht ging es recht human auf den Pângarați Pass hinauf und von da aus hinunter nach Gheorgheni. Hier gab es mal wieder eine Einladung über Warmshowers: Pali und Pani hatten mich eingeladen und es wurde ein äußerst herzlicher Abend. Die beiden hatten auch schon ein paar Radreiseerfahrungen gesammelt und sind meistens so wie ich mit dem Zelt unterwegs, jedoch nicht in Rumänien – das ist ihnen mit den Bären zu heiß. So erfuhr ich dann, dass die Bären auch in dieser Region alles andere als zu unterschätzen waren. Ich hatte nun noch mehr Respekt und grübelte wie sicher eigentlich die letzten Campspots waren. Die mühsam erlernen Rumänisch-Floskeln brachten mir bei Pali und seiner Familie keine Pluspunkte, denn ich befand mich in dem Landesteil Rumäniens der ungarisch geprägt ist. Deshalb eher: Köszönjük szépen Pali és Pani!
Nach der Rumänischen Verfassung sind wohl 18 Minderheiten offiziell anerkannt, die Ungarische ist dabei eine der Größeren. In den Schulen wird dort auf ungarisch gelehrt, auch die Alltagssprache ist Ungarisch. Die Ortseingangsschilder sind zweisprachig – einmal die kurze rumänische Bezeichnung, dazu der ungarische Ortsname – für mich typischerweise ein absolutes Kauderwelsch und äußerst lang. Die Architektur der alten Gebäude in den Dörfern sah tatsächlich wie in Ungarn aus, sehr oft wehten auch ungarische Flaggen – äußerst spannend, wenn man genau hin schaute.
Unterwegs im ungarisch bewohnten Landesteil Rumäniens.
Es ging nochmal über eine kleine niedrige Bergkette, bis ich die Karpaten endgültig überquert hatte und mich nun in Transsylvanien befand – dem ehemaligen Siebenbürgen. Dabei handelt es sich um ein Gebiet, welches im 12. Jahrhundert unter ungarischer Herrschaft befand und zu diesem Zeitpunkt mit Siedlern aus deutschen Gebieten besiedelt wurde, um die Grenzen im Süden gegen die Osmanen zu sichern aber auch um die Wirtschaft zu beleben. Die deutschen Siedler wurden als Siebenbürger Sachsen bezeichnet – aber sorry ihr daheeme, das had nüschd mit uns da von dor Elbe zu duhn – die Siedler kamen aus Gebieten die heute im Westen Deutschlands liegen sowie aus Flandern. Im Osten von Transsylvanien befinden sich noch ungarische Dörfer, der Rest ist offensichtlich durch die deutsche Besiedlung geprägt. Die Architektur der alten Gebäude sah in diesem Landstrich typisch deutsch aus, an den Häusern prangten Wahlsprüche in altdeutscher Schrift, die Ortsschilder wiesen in Zweitsprache die deutsche Bezeichnung aus. Ich traf auch auf einige Menschen mit denen es ohne weiteres möglich war sich auf Deutsch zu unterhalten. Allerdings ist die deutsche Minderheit in Rumänien mittlerweile deutlich geschrumpft – es gibt wohl nur noch eine Schule an der auf Deutsch gelehrt wird. Die kleinen Dörfer hatten teilweise wunderschön renovierte Anwesen die bewohnt waren, oftmals gab es aber leider auch viel Verfall zu sehen.
Saschitz – die erste ehemals deutsch besiedelte Ortschaft auf meiner Route durch Transylvanien. Die Wehrkirche in Saschitz ist im Museumsbetrieb für Besucher zugänglich.
Typisch für Siebenbürger Ortschaften sind die Wehrkirchen und Kirchenburgen. Dabei handelt es sich um schon fast festungsartig gesicherte Kirchen mit dicken Mauern, Schießscharten und einem Kirchturm der gleichzeitig als Wehrturm dient. Manchmal ist das Ganz sogar zu einer kleinen Burganlage ausgebaut – den sogenannten Kirchenburgen. Einige der Wehrkirchen sind heute als Museum für Besucher zugänglich. Äußerst beeindruckend fand ich dabei die Kirchenburg in Deutsch-Weißkirch. Die einzelnen Räume sind dort sehr gut erhalten, mit vielen alten Möbeln, Werkzeugen und anderen Gegenständen aus dem Alltagsleben ausgestattet sowie mit Hinweistafeln versehen. Interessant war zum Beispiel der Schinkenraum – dort hatte jede Familie des Dorfes ihren wertvollen Schinken kühl und sicher vor Getier und langen Fingern eingelagert, Zugang dazu gab es einmal pro Woche unter den prüfenden Augen des Pfarrers. In der Wehrkirch-Anlage Saschitz gab es sogar einen Schulraum, so dass der Unterricht selbst unter Belagerungszuständen weiter gehen konnte. Mit Sicherheit eine Information die ich meinen künftigen Schülis mitnehmen werde, um den mal klar zu machen dass man auch unter besonderen Bedingungen die Arschbacken zusammen kneifen und Schule machen kann 😉 Die Kirchen sind übrigens alle samt protestantisch und damit von innen schön schlicht gehalten. Die Feinde vor denen man sich hinter den Mauern im Belagerungsfalle versteckte waren wohl die Osmanen sowie die Tataren.
Die Kirchenburg in Deutsch-Weißkirch ist hervorragend als Museum hergerichtet. In den Ortschaften südlich davon fanden sich weitere Wehrkirchen, sie waren allerdings verschlossen.
Doch damit noch nicht genug von Kirche: In vielen der kleinen Ortschaften in Transsylvanien stand nicht nur so eine Wehrkirche herum, sondern ziemlich oft auch noch mindestens zwei andere Kirchen. Grund hierfür ist, dass über die vielen Jahre Menschen unterschiedlichster Kirchzugehörigkeit in der Region gesiedelt haben. So sind neben den protestantischen Kirchen auch die Rumänisch-Orthodoxe Kirche, die Rumänisch-griechisch-katholische Kirche und die Römisch-katholische Kirche vertreten. Somit kam ich an den Tagen wo es durch Transsylvanien ging an so vielen Kirchen wie noch nie vorbei.
Zwischen all den vor Sakralbauten strotzenden Dörfern ging es durch eine landwirtschaftlich geprägte Region. Es gab viele Grünflächen die offensichtlich der Beweidung dienten, aber auch jede Menge von Ackerflächen. An einer Hinweistafel in einem der Dörfer wurde recht stolz über eine kleinteilige Bewirtschaftung des transsylvanischen Kulturlandes geschrieben. Und tatsächlich hatte ich nicht den Eindruck durch riesige Ackerlandschaften zur fahren die nur durch eine Armada von gigantischen Landmaschinen bearbeitet werden. Statt dessen begegneten mir in dieser Region äußerst viele Pferdefuhrwerke, ein Hinweis, dass es da nicht immer weit her war mit dem Wohlstand.
Brașov.
Nach ein paar Tagen war ich schließlich im Südosten Transsylvaniens angekommen und befand mich in der Großstadt Brașov, direkt am Fuße der Südkarpaten. Die Stadt heißt auf deutsch Kronstadt und war einst ein bedeutendes Zentrum der Siebenbürger Sachsen. In der Altstadt gibt es viele wunderschön renovierte Gebäude, so dass man einen ziemlich guten Eindruck bekommen kann wie die wohlhabenderen Straßen einer mittelalterlich, deutsch geprägten Stadt wohl aussahen – wenn auch bestimmt nicht so sauber und wohlriechend wie heute. Schräg war es auf jeden Fall durch eine Stadt mitten in Rumänien zu spazieren bei der viele der Restaurants deutsche Namen trugen und ebenso ganz normal die Speisekarte auf deutsch anboten.
Unterwegs entlang des nördlichen Fußes vom Făgăraș-Gebirge.
Der ursprüngliche Plan war es eigentlich nun die Südkarpaten zu überqueren, am liebsten auf der berühmten Transfăgăraș-Straße oder alternativ über die Transalpina. Doch leider war das Wetter nicht so richtig mit dem Plan einverstanden – es war einfach noch zu früh im Jahr, beide Bergpässe waren noch nicht freigegeben. Die anderen Gebirgspässe waren aufgrund des starken Verkehrs definitiv keine Option um das Gebirge mit dem Rad zu überqueren. Stattdessen rollte ich nun am Fuße der Südkarpaten weiter in die nächste Großstadt: Sibiu oder zu deutsch Hermannstadt. Und wenn das Făgăraș-Gebirge mit Sicherheit besser als ein Stadtbesuch gewesen wäre, so ganz schlecht war Hermannstadt nicht. Ich war ziemlich beeindruckt von dem alten mittelalterliche Stadtkern, wovon ebenso wie in Brașov ziemlich viel äußerst gut renoviert war. Aus dem Stadtkern wurde nicht zu Unrecht touristisches Kapital geschlagen.
Rumänien ist definitiv das Land der Burgen und Schlösser.
Bisher völlig unerwähnt geblieben sind die ganzen Burgen und Schlösser des Landes. Wenn man wollte, könnte man garantiert jeden Tag eine andere Burg in dem Land besichtigen gehen. An einigen Stellen der Route legte ich einen kleinen Stopp für eine kleine Besichtigung ein, oftmals radelte ich aber einfach nur daran vorbei. Nach Hermannstadt ging es dann aber mal dezidiert zu solch einer Anlage: Der Burg Hunedora, zu deutsch Burg Eisenmark. Rein äußerlich ist es eine Art Bilderbuch-Ritterburg, der Traum eines jeden kleinen Jungen: Sie hat ein pompöses Äußeres, einen tiefen Burggraben, jede Menge Wehranlagen, Türmchen und und und. Und ja zum Bilder knipsen ist das schon ein schönes Motiv – vom richtigen Standpunkt aus bekommt man ganz Socialmedia-freundlich auch nichts vom benachbarten Industriegebiet oder den hässlichen Stromleitungen gleich nebenan mit aufs Bild. Das Innere der äußerst krass restaurierten Burg wirkte eher steril, wie so oft in solchen Anlagen. Genauso steril wirkte auf mich auch das Innere der Festung von Făgăraș, die es ein paar Tage vorher zu sehen gab. Völlig überschätzt wird meiner Meinung nach Schloss Bran. Von 1920 bis 1947 diente es als königliche Residenz, unter den Kommunisten wurde das Schloss als Museum betrieben. In den 2000er Jahren ging das Schloss zurück an die Habsburger und wird heute von diesen als Touristenattraktion auch unter dem Label „Schloss von Dracula“ vermarktet. Dass das Ganze sehr erfolgreich ist, war an den Menschenmassen eindeutig zu erkennen – nunja, ich war ja auch da …
Nach diesem letzten Burgenbesuch in Hunedora ging es dann ein kleines Stückchen westlicher doch noch über die Karpaten. Zwischen Caransebeș und Orșova gibt es einen sehr niedrigen Pass aber leider auch ziemlich viel Verkehr und äußerst knapp überholenden Schwerlastverkehr. Aber irgendwo musste ich ja mal auf die andere Seite des Gebirges kommen, denn das nächste Ziel war das Eiserne Tor, allerdings auf Serbischer Seite. Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel.
Rumänien steht auf jeden Fall weiterhin recht weit oben auf meiner Reiseliste. Es gibt einfach unglaublich viel in diesem Land zu entdecken: Es strotzt nur so von Geschichte und hat gleichzeitig aber auch wunderschöne Landschaften mit tollen dichten Wäldern und natürlich den prächtigen Karpaten zu bieten. Da ist zum einen das Făgăraș-Gebirge mit dem ich noch eine Rechnung offen habe, das Flachland im Süden vor dem Gebirge soll außerdem völlig anderes und vollkommen konträr zum von mir bereisten Siebenbürgen sein. Aber auch der Norden des Landes, besonders die Region in der Nähe zur Ukrainischen Grenze ist vermutlich ein ziemlich lohnendes Ziel mit den dortigen kleinen verschlafenen Dörfern.
Noch nicht so ganz richtig erwähnt sind die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes, der Artikel heißt ja aber auch „Rumänien – ein wunderbares Reiseziel in Europa“. Und das ist Rumänien in meinen Augen auch, vor allem auch da vermutlich jeder Euro der in das Land hineingetragen wird den Menschen und dem Land wohl auch weiterhilft. Manchmal liest man, dass man in Rumänien stellenweise noch das Landleben wie vor hundert Jahren beobachten kann. Ja das kann man wohl – zu romantisieren ist das aber nicht, denn der Grund ist dafür schlicht Armut. Die Spaltung zwischen Arm und Reich ist in dem Land gigantisch. Die Städte sind modern, gerade die Großstädte können im europäischen Vergleich gut mithalten, auf dem Land gammelt aber vieles vor sich hin. Die von mir bereisten Regionen sind soweit mir bekannt dabei auch noch die besser gestellten. Schöpfbrunnen wie der abgebildete gibt es zwar hin und wieder mal, die Wasserinfrastruktur scheint aber beispielsweise schon moderner als in Moldawien zu sein. Die vertrauensvoll aussehende Brücke auf dem Foto oben ist geschickt in Szene gesetzt, denn links neben ihr steht die moderne, sichere. Es ist also nicht alles zum davon laufen.
Wie schon erwähnt gibt es in dem Land 18 verfassungsmäßig anerkannte Minderheiten. Die Anerkennung ist zwar gut und schön, hilft aber praktisch wie so üblich trotzdem nicht gegen Diskriminierung. Hart davon betroffen sind üblicherweise die Ärmsten der Armen – wie in vielen Ländern Südosteuropas sind das die Roma. In einigen Dörfern habe ich extrem herunter gekommene Häuser gesehen die trotz ihres Zustandes bewohnt waren, und dreimal dürft ihr raten wer da wohnt. Es gibt aber auch die Siedlungen bei denen kleine unverputzte Gebäude die einer unvollendeten Datsche gleichen Stück für Stück dicht beieinander stehen. Eher skurril wirkte auf mich eine Roma-Siedlung in Hunedora, da standen lauter übertrieben prunkvoll gestellte Villen nebeneinander in einem ganz eigenen Stil.
Wer also nach Rumänien reist muss sich auch auf diese Facette des Landes gefasst machen. Aber bitte lasst euren Eimer mit Vorurteilen über die Roma daheim, denn damit ist ihnen definitiv nicht geholfen. Einen guten Anlaufpunkt um sich mit dem Thema auseinander zu setzen gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Reisezeit: April/Mai 2023
Nicht alles von dem hier Geschriebenen ließ sich einfach so aus der Landschaft ablesen oder in Gesprächen vor Ort erfahren. Hier meine wesentlichen Quellen:
- Neue Züricher Zeitung: Rumänien streitet um seine Braunbären
- Wikipedia: Siebenbürgen
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