Von Alaska nach Argentinien – Interview mit François

Die meisten Radreisenden trifft man mal kurz auf der Straße oder in einem Hostel, es wird kurz gequatscht oder auch mal ein Abend zusammen kampiert, bevor am nächsten Tag wieder jeder seiner Route folgt. Es gibt aber auch die Radreisenden, die man immer wieder trifft – die, mit denen man mehr als nur die üblichen kurzen Konversationen hat; die, mit denen man vielleicht auch hunderte Kilometer gemeinsam die Straße teilt. Zu letzteren gehört für mich François – Grund genug, ihn hier mal etwas genauer vorzustellen.

François war so freundlich, mir für das Blog hier ein kleines Interview zu geben,  ihr könnt es euch in dem Player im Original anhören. Etwas weiter unten findest du ein angepasstes und ins Deutsche übersetztes Transkript des Interviews[1]. Wenn du es lieber gleich auf 🇬🇧 Englisch lesen willst – bitte hier entlang. Aber auch wenn du dir das Interview lieber anhörst, statt es zu lesen, scrolle zumindest einmal die ganze Seite durch, denn François hat mir auch noch ein paar schöne Bilder von seiner Reise zur Verfügung gestellt.

Wenn du mehr von François‘ Reise erfahren willst, folge ihm auf Instagram.

Und nun noch eine letzte, persönliche Sache: Dies ist das erste Interview hier auf escape now!, auch der erste hörbare Inhalt. Gefällt dir das? Soll es davon mehr geben? Hinterlasse doch bitte unten einen Kommentar!

Transkript

Binni:
Hallo François. Du bist ein 24-jähriger Ingenieur aus Belgien und bist 2023 auf eine epische Radreise von Alaska nach Patagonien gestartet. Wir haben uns im Juni kennengelernt, als wir zusammen in Costa Rica auf dem Weg nach Panama Stadt radelten. Seitdem haben wir uns noch fünf weitere Male getroffen, und jetzt freue ich mich, dass du hier bist und mir ein paar Fragen zu deinem unglaublichen Abenteuer beantwortest. Willkommen bei escape now!

Es ist 17 Monate her, dass du deine Reise begonnen hast, und wir sind jetzt in Nordargentinien. Hast du damit gerechnet, so lange unterwegs zu sein?

François:
In der Tat, nein. Als ich diese Reise antrat, war das Ziel, für ein Jahr wegzugehen und zu sehen, wie weit ich komme und danach wieder nach Hause zu kommen. Ich hoffte, ich würde es bis nach Nordargentinien schaffen.

Das war von Anfang an mein Traum, Alaska, wo ich anfing, zumindest mit dem Norden Argentiniens zu verbinden und all diese Länder zu durchqueren. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich so lange brauchen würde. Nach ein paar Monaten merkte ich, dass mir das eigentlich ganz gut gefällt. Also beschloss ich, nicht nur ein Jahr zu verbringen und nach einem Jahr irgendwo in Südamerika zu landen, sondern weiter in den Süden Argentiniens zu fahren, nach Feuerland, genauer gesagt nach Ushuaia, so dass ich die nördlichste Route des nordamerikanischen Straßennetz mit der südlichsten Stadt der Welt und natürlich auch Amerikas verbunden hätte.

Und so beschloss ich nach ein paar Monaten, die Reise zu verlängern. Aber selbst da hätte ich nicht gedacht, dass ich so lange brauchen würde. Aber es war ein Vergnügen unterwegs zu sein. Manchmal ist es auch schwierig, so lange von Familie, Freunden und Heimat entfernt zu sein. Manchmal fühlt es sich so an, als würde es fehlen, aber ich bin trotzdem sehr froh, hier zu sein und dies weiterhin zu tun.

Binni:
Ich kann diese Begeisterung für das Unterwegssein sehr gut nachvollziehen, und ich kann verstehen, dass du weiterfahren wolltest, dass du ein weiteres Ziel gefunden hast, das du erreichen willst.

Wie ist die Idee zu dieser Reise entstanden?

François:
Vor dieser Reise hatte ich bereits einige kürzere Reisen in Europa unternommen, die zwischen einer Woche und 10 Tagen dauerten. Und während meines letzten Jahres in Brüssel, als ich mein Masterstudium in Medizintechnik abschloss, dachte ich über ein solches Abenteuer nach. Ich glaube, was mich auch inspiriert hat, war, dass ich viele Videos oder Dokumentarfilme von Leuten gesehen habe, die längere Radtouren durch verschiedene Teile der Welt, einschließlich Amerika, gemacht haben. Ich hatte schon einige Radtouren unternommen, aber nie allein. Und so machte ich mich Anfang April auf den Weg, an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Ich fuhr den Camino de Santiago bis nach Santiago de Compostela in Spanien, ganz allein auf dem Fahrrad. Das lag auch daran, dass ich Spanisch lernte und das in der Praxis nutzen wollte. Aber ich wollte auch meine erste Reise ganz allein machen und sehen, wie es sich anfühlt.

Es fühlte sich tatsächlich ziemlich gut an. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich also, dass ich allein reisen konnte. Wahrscheinlich auch aus sprachlichen Gründen, aber auch, weil es ein Kontinent ist, den ich noch nie erkundet hatte. Und ich hatte sehr schöne Bilder von ihm gesehen. Ich beschloss, nach Amerika zu reisen. Wegen der Landschaft, aber auch, weil ich ab Mexiko nur noch Spanisch sprechen würde, das ich zu diesem Zeitpunkt bereits gelernt hatte. So fiel meine Wahl auf Amerika.

Binni:
Deine bisherigen Reisen waren als, wie du sagtest, auch mit dem Fahrrad. Aber warum hast du ausgerechnet ein Fahrrad als Transportmittel gewählt?

François:
Das ist auch eine gute Frage. Ich glaube, es geht auf die Zeit zurück, als ich etwa 16 Jahre alt war. Zumindest ist das eine Anekdote, die ich da zuordnen kann. Ich erinnere mich, dass ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass das Fahrrad ein großartiges Transportmittel ist.

Ich hatte ein Fahrrad, als ich ein kleines Kind war, bis ich vielleicht höchstens 10 Jahre alt war. Danach hatte ich kein Fahrrad mehr, weil ich aus meinem Fahrrad herausgewachsen war und wir nie beschlossen hatten, ein neues Fahrrad für mich zu kaufen. Ich habe auch nie danach gefragt. Aber meine Großeltern hatten ein Fahrrad in der Wohnung am Meer, die sie hatten, und wenn ich sie manchmal im Sommer besuchte, als ich etwa 16 oder 17 war, nahm ich das Fahrrad meines Großvaters und drehte ein paar Runden durch die schöne Natur und stellte fest, dass ich an einem Nachmittag ziemlich weit kommen konnte und wieder zurück. Ich erinnere mich, wie ich auf die Karte von Belgien schaute und sah, dass es tatsächlich etwas ist, natürlich war es an einem Nachmittag nicht zu weit, aber man konnte trotzdem etwas sehen. Es fühlte sich wie eine große Entfernung an. Ich kann mich also daran erinnern, dass das vielleicht einer der allerersten Reize war, mit dem Fahrrad zu reisen, auch wenn sich zu diesem Zeitpunkt die Idee, eine Fahrradreise zu machen, noch nicht wirklich verwirklicht hatte. Später holte ich mir dieses Fahrrad nach Hause und benutzte es in meiner Heimatstadt Brüssel. Und als die Pandemie begann, beschloss ich, ein richtiges Fahrrad zu kaufen. Dann habe ich meine erste Fahrradtour mit ein paar Freunden gemacht. Damals war die Ausrüstung noch sehr rudimentär. Wir nahmen mit, was wir hatten, liehen uns das Zelt eines Freundes und begnügten uns mit dem, was wir hatten. Es war eine sehr lustige Reise. Und so habe ich mit dem Radfahren angefangen.

Binni:
Du hast also ein bisschen Freiheit gespürt, als du jung warst und deine ersten Fahrradabenteuer erlebt hast?

François:
Ja. Diese erste Erfahrung mit dem Meer fühlte sich in der Tat wie eine Art Freiheit an. Und auch in dem Sinne, dass ich mir damals, obwohl ich noch ein Teenager war, bereits Gedanken über den Klimawandel machte, und so war es auch eine Möglichkeit zu sehen, dass man tatsächlich auch mit nicht motorisierten Fahrzeugen etwas unternehmen kann. Und das war in gewisser Weise auch sehr befreiend.

Binni:
Nimm uns mit ganz zum Anfang dieser Reise. Wo genau hast du begonnen und wie waren die ersten Tage?

François:
Es gibt also einen Anfang, als ich mit dem Radfahren begonnen habe, und einen Anfang der Reise selbst, der etwas früher liegt. Und normalerweise betrachte ich sie als zwei Anfänge in gewissem Sinne.

Ich verließ Brüssel also am 20. Juli 2023. Ich flog nach Anchorage, der größten Stadt Alaskas. Und dort wurde ich von einer sehr netten Familie empfangen: Jim, Bernice und Omi, bei denen ich ein paar Tage, vielleicht drei, bleiben wollte, um alles startklar zu machen und die Lebensmittel für den nächsten Schritt einzukaufen, was ich später erklären werde. Aber ich hatte eine so tolle Zeit mit ihnen, dass ich schließlich eine Woche in Anchorage blieb. Ich hatte schon so viel Gefallen, auch wenn das Radfahren noch nicht begonnen hatte. Von Anchorage aus wollte ich dann bis zu einer Stadt am Arktischen Ozean trampen, die Prudhoe Bay heißt und nur deshalb existiert, weil in dieser Gegend Öl gefördert wird. Und es gibt eine Straße, die dorthin führt, von und nach Süden zur Stadt Fairbanks. Auch für diese Zwecke der Ölförderung. Das war die Straße, auf der ich anfangen wollte zu radeln. Und so hoffte ich, dorthin zu trampen, aber man bot mir sogar einen Flug dorthin an.

Binni:
Einen Flug?

François:
Ein Flug von Anchorage da hoch durch den Nachbarn meines Gastgebers, Tim und seine Frau. Danke dafür noch. Ich kam also problemlos dort an. An dem Tag, als ich am Flughafen ankam, hatte ich meinen Helm an meinem Rucksack befestigt und jemand fragte mich: „Oh, du fährst also Fahrrad, ich auch!“

Das war also der erste Tag in dieser ganz besonderen Stadt, denn die einzige Attraktion ist der Bergbau, und auch die Architektur ist sehr speziell, denn alle Gebäude sind auf Pfählen gebaut, damit der darunter liegende Permafrost nicht die Gebäudestrukturen erreicht. Es ist also eine ganz besondere Atmosphäre und Architektur. Es ist ziemlich einzigartig, denke ich. Und dort habe ich Sam getroffen, mit dem ich die ersten beiden Tage geradelt bin. Ich dachte also, ich würde alleine losfahren, und jeder in meiner Familie und meine Gastgeber aus Anchorage waren dann entspannter, dass ich dort nicht alleine sein würde, denn es ist eine sehr, sehr wilde Gegend. Zwischen dort und dem 800 Kilometer entfernten Fairbanks gibt es so gut wie keine Infrastruktur. Aber ich hatte Sam, mit dem ich mich zusammentat. Doch leider hatte sein Fahrrad nach zwei Tagen ein Problem, so dass er nach Fairbanks trampen musste. Das war also der Anfang.

Der allererste Tag, denn ich glaube, danach hast du gefragt – ich erinnere mich, dass es ein sehr friedlicher Tag war, die arktische Tundra, sie ist extrem flach, und ich hatte ein sehr schweres Fahrrad, weil ich eine Menge Lebensmittel für mindestens 10 Tage dabei hatte, und wir sind 80 Kilometer geradelt. Dann haben wir am ersten Tag beschlossen, dass wir es nicht übertreiben sollten, also haben wir die Zelte aufgebaut. Und dann kam ganz kurz danach ein großes Gewitter auf. Aber es war alles in Ordnung. Wir fanden einen Unterschlupf und ich erinnere mich, dass wir kochten, uns unterhielten und dann schlafen gingen.

Binni:
Was für eine schöne Erfahrung, dass du sie mit jemandem teilen konntest, den du im Grunde zufällig getroffen hat.

François:
Ich möchte noch was zu Sam hinzufügen: Wir sind weiterhin mehr oder weniger in Kontakt. Aber das Lustige ist, dass wir uns an zufälligen Orten auf der Straße wieder treffen – das ist schon ein paar Mal auf der Reise passiert. In südlichen Ländern, einmal in Kanada und dann das nächste Mal, ich glaube, es war jetzt in Peru, dass wir uns zufällig auf der Straße getroffen haben.

Binni:
Wir sind alle auf den gleichen Wegen unterwegs.

François:
Scheinbar, ja.

Binni:
So wie wir, wir haben uns schon sechs mal getroffen.

Das Leben, das wir unterwegs führen, ist ziemlich einzigartig und es dauert eine ganze Weile, bis man sich daran gewöhnt hat. Wann hattest du das Gefühl, dass du dich an diesen Lebensstil gewöhnt hast?

François:
Das ist eine gute Frage. Schwer zu sagen. Es gibt keinen bestimmten Punkt, an dem ich das Gefühl hatte „Okay, das ist jetzt mein Leben.“

Ich erinnere mich, dass ich am Anfang oft aufwachte und dachte: Wo bin ich hier? Und dann habe ich gemerkt, oh ja, ich bin in meinem Zelt und ich bin in Alaska, oder ich bin in Kanada. Aber das ist jetzt schon eine Weile nicht mehr passiert, dass ich dachte, ich wache in meinem Bett auf oder dass ich keine Ahnung habe, wo ich bin. Jetzt fühlt es sich ziemlich offensichtlich an, wo ich bin, ich frage mich nicht wirklich. Und wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich vielleicht in meinem Bett aufwachen und denken, dass ich immer noch in Patagonien bin. Aber ich denke, irgendwo in Alaska haben sich die Dinge allmählich eingependelt. In Alaska habe ich viel in meinem Zelt geschlafen. Während ich an anderen Orten mehr bei anderen Leuten geschlafen habe oder, sagen wir mal, an sicheren Orten zum Zelten, wie Feuerwachen oder Polizeistationen auf dem Weg, besonders in Mittelamerika. Ich kam also da mehr in den Modus des Campens und so.

Binni:
Ahh, okay. Bei mir selbst waren es in etwa drei Monate, bis ich mich eingelebt hatte. Meine erste kleine Krise hatte ich auf dem Balkan – ich war in Kroatien und musste zum ersten Mal mit kaltem Wetter und einem ständig nassen Zelt und kurzen Tagen wegen des fehlenden Tageslichts zurechtkommen. Nachdem ich dieses erste, größere Problem überwunden hatte, fühlte ich mich viel wohler und alles lief besser. Dann fühlte ich mich ein bisschen mehr wie ein richtiger Radreisender und nicht mehr wie ein Anfänger.

François:
Ja, ich denke, du hattest eine bestimmte Art von Krise. Ich glaube nicht, dass ich diese Sache hatte, die mich zu dieser Erkenntnis brachte.

Binni:
Was sind die drei Dinge, die du am meisten auf dieser Reise genießt?

François:
Ich würde sagen, die Menschen, die Landschaften und die Menschen.

Binni:
(Lacht) Diese Antwort gefällt mir!

Ich war schon fast dabei zu sagen „die Menschen, die Menschen, die Menschen“, aber die Landschaften sind so beeindruckend, dass ich sie einfach mit einbeziehen musste. Ich schätze, in gewissem Maße auch das Essen, aber als Vegetarierin kann das die Auswahl für mich manchmal wirklich einschränken. Ich versuche trotzdem, einige der Gerichte zu probieren, auch wenn sie nicht vegetarisch sind, aber ich werde sie nicht so oft genießen, weil ich sie vielleicht nur probiere. Aber um auf meine Antwort zurückzukommen: In erster Linie sind es die Menschen, denn man lernt Leute kennen, die man sonst nie getroffen hätte, man lernt andere Kulturen besser verstehen. Und dann auch die Menschen, denn auf dieser Reise waren die Menschen extrem freundlich und großzügig zu mir. Ich habe es geliebt, mit ihnen über eine ganze Reihe von Themen zu diskutieren. Ich bin zum Beispiel besonders daran interessiert, zu verstehen, wie die Geopolitik des Landes funktioniert oder wie das jeweilige Land funktioniert und welche Unterschiede es gibt. Das war für mich immer sehr interessant. Was ich hier in Amerika, insbesondere in Lateinamerika, auch sehr interessant finde, ist, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Menschen hier im Vergleich zu zu Hause Angst vor Ausländern haben. Die Menschen haben mir immer sehr leicht vertraut. Und ich habe das Gefühl, dass mir das viele Möglichkeiten eröffnet und ich dadurch viele Freundschaften geschlossen habe. Eine Menge interessanter Begegnungen. Ich habe das Gefühl, dass wir zu Hause eher skeptisch sind, warum jemand, den wir nicht kennen, zu uns kommt und mit uns spricht. Oder uns um etwas bittet, z. B. um Wasser oder darum, sein Zelt in unserem Garten aufzustellen. Aber hier scheinen die Leute immer sehr offen dafür zu sein, mir zu helfen und mit mir zu reden. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Und dann die Landschaften – ich hatte das Glück, durch viele unglaublich schöne Orte zu fahren, die mich sehr beeindruckt haben.

Binni:
Ich bin froh, dass du auch die Landschaften erwähnst, denn meine nächste Frage bezieht sich auf dieses Thema. Viele Leute fragen mich nach den schönsten Orten, die ich besucht habe, und es fällt mir immer sehr schwer, die Auswahl einzugrenzen. Aber jetzt bist du dran. Was sind deine bisherigen Favoriten?

François:
Das ist in der Tat nicht einfach. Aber weil die Leute so oft fragen, muss ich immer wieder darüber nachdenken. Und so habe ich mir ein paar Dinge überlegt, die ich sagen kann, wenn man mich fragt. Normalerweise sage ich Alaska, beginnend in chronologischer Reihenfolge meiner Reise. Alaska, und zwar sowohl wegen der Wildnis als auch wegen der Freundlichkeit der Menschen dort.

Als nächstes erwähne ich die kanadischen Rocky Mountains, Jasper und Banff, die dortigen Nationalparks. Dort fühlte es sich wirklich so an, als würde man durch den so genannten Ice Shield Parkway fahren. Es fühlte sich wirklich an, als wäre man wieder ein Kind und würde wie ein Kind über die Dinge staunen, weil die Landschaften so, so schön waren. Diese Kiefern, die wunderschönen farbigen Seen und die grauen, schönen Berge. Selbst wenn ich mir die Bilder jetzt ansehe, habe ich immer noch dieselbe Ehrfurcht, wenn ich sie wieder betrachte. Ich glaube, es ist ein ganz besonderer Ort. Danach hat mir der Süden Utahs sehr gut gefallen, weil die Farben der Erde und die Landschaft dort so einzigartig sind. Und Mexiko im Allgemeinen hat mir wirklich sehr gut gefallen.

Mir ist klar, dass ich schon ziemlich viele Orte erwähnt habe. Wir haben noch nicht einmal die Hälfte meiner Reise hinter uns und ich habe schon vier erwähnt.

Binni:
(Lacht) So geht es mir auch immer!

François:
Aber ich werde vielleicht noch kurz weitermachen, aber Mexiko im Allgemeinen war großartig. Und Mexiko ist für die Menschen, aber auch das Essen, die Landschaft, alles ist einfach perfekt auf allen Ebenen, würde ich sagen, in Mexiko.

Vielleicht lasse ich danach eine große Lücke. Aber das nächste Land, das mich wirklich beeindruckt hat, war vor kurzem Bolivien, das ich sehr genossen habe, das auch sehr einzigartige Landschaften wie den Salar de Uyuni hatte, aber auch die südwestliche Region Lipez, durch die ich auch sehr gerne geradelt bin. Und im Moment gefällt es mir in Argentinien sehr gut, das könnte man noch auf die Liste setzen. Ja, das sind wahrscheinlich meine Highlights.

Binni:
Okay, aber natürlich ist nicht jede Gegend, durch die wir radeln, toll. Welcher Ort oder welches Land hat dir denn nicht so gut gefallen und warum?

François:
Das ist natürlich auch eine Frage, die man sich stellen kann, oder dass ich manchmal feststelle, dass es mir in manchen Ländern nicht so gut gefallen hat. Und für mich war Mittelamerika sehr schön. Ich würde nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hat, aber die Hitze und das schwüle Wetter waren schwieriger zu ertragen. Es hat mir trotzdem sehr gut gefallen, aber es war ein schwierigerer Abschnitt der Tour. Und danach war Ecuador wunderschön, aber ich hatte das Gefühl, dass ich weniger bedeutungsvolle, positive Interaktionen mit den Einheimischen hatte, als ich es vielleicht vorher hatte.

Ähnlich erging es mir in Peru, wo ich in beiden Ländern die schönen Landschaften sehr genossen habe, aber ich hätte mich über tiefere menschliche Kontakte mit den Einheimischen gefreut und bedauerte auch manchmal, dass die touristische Infrastruktur vielleicht stärker entwickelt ist und sich sehr nach Geldmacherei anfühlt.

Binni:
Und was war die größte Herausforderung, die du bisher auf deiner Reise erlebt hast? Weil es nicht immer nur Sonnenschein, nette Menschen und nur schöne Landschaften. Es gibt auch eine Menge Dinge, mit denen wir zurechtkommen müssen.

François:
Ja, es gab natürlich einige Momente, in denen die Stimmung wahrscheinlich tatsächlich niedriger war.

Ich denke da an die Vereinigten Staaten, wo ich, wenn ich mich recht erinnere, fast drei Monate lang allein geradelt bin, was sich manchmal sehr einsam anfühlen konnte. Das war vielleicht eine der ersten Veränderungen. Ich erinnere mich, dass ich mich manchmal fragte, warum ich überhaupt noch weiterfuhr, denn es ist schwierig, einsam zu sein und keine menschlichen Kontakte zu haben, aber ich schaffte es, dem irgendwie entgegenzuwirken, indem ich lange Tage radelte, so dass ich gut vorankam. Wenn ich dann in einer Stadt ankam, fand ich einen Warmshowers Gastgeber, der bereit war, mich für ein paar Nächte aufzunehmen, und dort konnte ich dann längere, bedeutungsvollere Kontakte mit den Menschen knüpfen, die mich beherbergten. Denn natürlich trifft man unterwegs immer noch Leute, wenn man nicht in einer Stadt ist, natürlich gibt es immer noch Menschen, aber die Gespräche sind oft nur von kurzer Dauer, und es fehlt einem, ein tieferes Gespräch zu führen und nicht nur zum hundertsten Mal seine Reise zu erklären und vielleicht zu sagen: „Ach ja, ich bin vor so vielen Monaten losgefahren, ich fahre dahin“. Also habe ich dieser Einsamkeit entgegengewirkt, indem ich länger bei den Gastgebern geblieben bin, das hat mir in dieser Zeit geholfen. Aber dann erinnere ich mich, dass jedes Mal, wenn ich wieder eine Familie oder das Haus einer Person verließ, dies der schwierigste Moment war. An dem Tag, an dem ich wieder allein in die wahrscheinlich oft trostlosen Landschaften radelte und dieser Moment des sozialen Austauschs vorbei war, waren das die schwierigsten Tage.

Binni:
Und gab es jemals einen Punkt, an dem du aufhören wolltest? Und wenn ja, was hat dich angetrieben weiter zu radeln?

François:
Es kommt darauf an. In den Vereinigten Staaten habe ich mich manchmal einsam gefühlt – ich habe mich gefragt, was ich da mache, ob das noch Sinn macht. Aber oft, wenn die Dinge schwierig sind, stellt man fest, dass die Straße einem etwas gibt, das man zu schätzen weiß. Die schönen Landschaften oder vielleicht eine schöne Tiersichtung. Und das ist immer der Moment, in dem man denkt: Genau, deshalb mache ich das.

Ich habe auch darüber nachgedacht, als ich etwa ein Jahr nach meiner Abreise aus Alaska in Panama ankam, dass es vielleicht ein guter Zeitpunkt gewesen wäre, die Reise dort zu unterbrechen und die südliche Hälfte in einer späteren Reise zu machen. Aber was mich zu diesem Zeitpunkt davon abhielt, war, dass ich bereits Pläne für ein Treffen mit Freunden in Kolumbien gemacht hatte. Also fuhr ich nach Kolumbien und setzte die Reise von dort aus fort. Ich bin natürlich sehr froh, dass ich das getan habe, aber es gab noch eine andere Gelegenheit, bei der ich dachte, ich hätte aufgeben können.

Binni:
Ich erinnere mich noch daran, als wir zusammen Panama erreichten, warst du ziemlich glücklich, Nordamerika geschafft zu haben, du warst ziemlich stolz. Und du konntest wirklich stolz auf dich sein, diesen Kontinent einmal der Länge nach durchquert zu haben.

François:
Ja, es war ein großartiger Moment.

Binni:
Was war bisher die größte Überraschung auf dieser Reise?

François:
Da gab es schon einige. Eine, die wirklich eine Überraschung in dem Sinne war, wie man eine Überraschung erwartet, war, als ich auf meinen Freund wartete, der am Flughafen in Medellin ankam. Als er ankam, umarmten wir uns, und ich sagte: „Lass uns ein Taxi nehmen“, und er musste erst auf die Toilette, und als er aus dem WC kam, sagte er: „Eigentlich müssen wir noch ein bisschen warten“.

Mein Freund Alexis, von dem ich wusste, dass er kommen würde, meinte: Okay, mein anderer Freund Elliot kommt auch noch an. Ganz überraschend und das wusste ich nicht. Wir warten also auf ihn, weil er am Zoll anscheinend etwas länger gebraucht hat, aber er kam nicht allein, sondern mit einem weiteren Freund, Thibaut. Statt eines Freundes in Kolumbien hatte ich also insgesamt drei, von denen zwei Überraschungsbesuch waren.

Binni:
Das ist eine sehr schöne Überraschung, vor allem, wenn man nach so langer Zeit einige seiner wirklich guten Freunde in einem fremden Land wiedersieht.

François:
Sicherlich. Das war ein großartiger Moment und wir hatten eine tolle Zeit, wir vier zusammen.

Binni:
Und was vermisst du jetzt, nach 17 Monaten auf der Reise, am meisten?

François:
Ich versuche, auf diesen Reisen viel Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden zu halten, indem ich sie oft anrufe. Ich vermisse sie sehr, aber ich bin froh, dass wir in der heutigen Zeit leben und ich sie noch sehr oft per Video anrufen kann. Ich freue mich also am meisten, wenn ich sie wiedersehe. Oder ein paar andere kleinere Dingen, die ich von zu Hause vermisse.

Und wenn ich auf Familie und Freunde zurückkomme, vermisse ich wohl am meisten die Familie, mit der ich nicht wirklich telefonieren oder tiefere Gespräche führen kann, nämlich meine zwei- und vierjährigen Nichten. Die sind vor dem Bildschirm nicht sehr geduldig. Es wird also auch eine tolle Sache sein, sie wiederzusehen. Ansonsten bin ich wirklich dankbar, dass wir heutzutage diese Kommunikationsmöglichkeiten haben, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ohne diese in der Lage gewesen wäre, eine so lange Reise anzutreten. Was die anderen Dinge angeht, so vermisse ich das Essen, die belgischen Pommes frites, die belgische Schokolade, aber das ist eher ein Bonus, wenn ich wieder zu Hause bin.

Binni:
Dein Ziel ist es also, die südlichste Stadt des Kontinents, Ushuaia, zu erreichen. Freust du dich darauf, das Abenteuer zu vollenden, oder macht dich der Gedanke daran ein wenig nervös?

François:
Ich würde sagen, beides. Denn ich freue mich darauf, wieder nach Hause zu kommen und alle wiederzusehen und wieder einen Lebensstil zurückzukehren, bei dem ich vielleicht eine eigene Wohnung habe. Es ist sehr angenehm, in meinem Zelt zu leben, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich auch meinen eigenen Raum vermisse. Deshalb freue ich mich darauf. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es wahrscheinlich sehr schwierig sein wird, von einem Tag auf den anderen wieder zurückzukehren, nicht mehr jeden Tag neue Landschaften zu sehen, jeden Tag neue Leute zu treffen und wieder in die Routine zu kommen. Davor habe ich Angst, aber irgendwann muss es ja mal passieren, oder?

Ja, ich freue mich, Ushuaia zu erreichen, bin mir aber auch bewusst, dass es vielleicht nicht einfach wird.

Binni:
Wir alle haben Träume. Hast du nach diesem Abenteuer schon eine konkrete Idee für dein nächstes Abenteuer?

François:
Ja, natürlich. Ich habe das Gefühl, dass es unmöglich wäre zu sagen, nachdem ich das alles erlebt habe, dass das eine einmalige Sache war.

Manchmal sagen mir die Leute: „Oh, genieße es. Das ist ein einmaliges Abenteuer“, aber ich glaube nicht, dass sie verstehen, was es für einen bedeutet, so etwas zu tun, dass man nicht nach Hause zurückkehren und einfach erwarten kann, den Rest seines Lebens hier zu leben, einfach zu Hause. Also wird das nächste Abenteuer für mich auch mit dem Fahrrad sein. Mir ist klar, dass dies eine Art des Reisens und der Erkundung der Welt ist, die für mich am meisten Sinn macht. Wo genau das sein wird, ist eine andere Frage, die ich noch nicht vollständig beantwortet habe und wahrscheinlich auch nicht beantworten werde, bis ich tatsächlich auf die nächste Reise gehe. Und selbst dann glaube ich, dass die nächste Reise offener und flexibler sein wird, was den Weg, das Ziel und die Zeit angeht. Mir ist klar, dass es bei dieser Reise sehr schön ist, das Ziel zu haben, ganz Amerika mit dem Fahrrad zu durchqueren, denn es gibt einem ein Endziel, aber es könnte einen auch manchmal davon abhalten, Orte zu besuchen, die man gerne besuchen würde, weil man ein Ziel hat, das man erreichen muss, oder mehr Zeit an einigen Orten verbringen muss. Hätte ich diese zeitliche Begrenzung am Ende der zwei Jahre nicht, wäre ich vielleicht noch ein Jahr länger auf diesem Kontinent geblieben, um ihn zu erkunden oder sogar noch mehr. Oder vielleicht komme ich sogar irgendwann in der Zukunft hierher zurück. Ich glaube, das ist eine Sache, die ich für meine nächste Reise gelernt habe, nämlich einfach loszufahren und zu sehen, wohin der Weg mich führt.

Binni:
Ich persönlich verbinde bestimmte Lieder oder Alben mit bestimmten Reisen oder Orten, an die ich gereist bin. Verbindest du Musik mit Orten, die du auf dieser Reise besucht hast?

François:
Ja. In Mexiko habe ich eine Wiedergabeliste erstellt, in die ich Lieder aufnehme, die ich an verschiedenen Orten höre. Und es macht sehr viel Spaß, sie hinterher anzuhören, und die meisten Lieder, wenn nicht sogar alle, sind mit einem bestimmten Ort auf meiner Reise verbunden. Ich würde nicht sagen, dass es ein bestimmtes Album oder einen bestimmten Künstler gibt. Es ist eher eine Wiedergabeliste mit absolut nicht zusammenpassenden Liedern, von denen einige weltberühmt sind und andere selbst 99 Prozent der Menschen in diesen Ländern absolut unbekannt sind, aus denen meine Souvenir-Playlist besteht.

Binni:
Das ist ein schönes Souvenir, das du mit nach Hause nehmen kannst. Meine erste große Reise war nach Neuseeland und für mich war es dieses eine Album von Block Party. Ich fing an, es zu hören, als ich im ICE auf der Fahrt von Dresden nach Frankfurt saß. Und dann habe ich es immer gehört, wenn ich mich auf eine große Wanderung aufgebrochen bin. Und selbst jetzt, wenn ich es anhöre, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut und sehe diese Landschaften von Radebeul in Sachsen durch das ICE-Fenster oder ich sehe mich selbst in bestimmten Landschaften auf den Wanderungen in Neuseeland. Also ja, wenn man so etwas hat, dann ist das ein gutes Souvenir, das man lange, lange Zeit hat. Und wenn du mal schlechte Laune hast, kannst du es einfach anhören und es bringt gute Laune.

Dokumentierst du dein Abenteuer und wenn ja, wie können die Leute deine Reise verfolgen?

François:
Ich mache, sagen wir, zwei Dinge auf einmal. Die Leute können mir auf Instagram folgen, wo ich von Zeit zu Zeit etwas poste, aber das ist nicht sehr häufig. Stattdessen widme ich meine Zeit lieber, während ich neue Orte oder neue Leute entdecke, der Aufnahme mit meiner GoPro oder meiner Kamera, mit dem Ziel, einen Dokumentarfilm zu produzieren, wenn ich nach Hause komme. Das ist also eher ein längerfristiger Prozess, der auch nicht sofort passieren wird, wenn ich nach Hause komme, sondern ich werde mir tatsächlich etwas Zeit nehmen müssen.

Aber wenn die Leute mir auf Instagram folgen, dann werden sie mit Sicherheit die Informationen bekommen, wenn diese Dokumentation herauskommt.

Binni:
Ich freue mich schon sehr darauf, deine Dokumentation zu sehen. Viel Glück mit diesem Projekt, das ist keine einfache Aufgabe.

Und zu guter Letzt noch eine letzte Frage. Stell dir vor, du stehst vor einer Gruppe von Schülern, die kurz vor dem Schulabschluss stehen. Welche Botschaft würdest du ihnen mit auf den Weg geben, wenn sie sich nun auf ihren eigenen Weg machen?

François:
Ich denke, meine Botschaft ist, dass man, wenn man einen Traum hat, auch wenn es nur ein Traum ist, den man schon lange im Hinterkopf hat, den man aber immer wieder verdrängt hat, weil man denkt, dass es nur ein Traum ist, vielleicht trotzdem versuchen sollte, ihn zu verwirklichen. Der schwierigste Schritt ist wahrscheinlich, es anzufangen. Zumindest war es für mich der schwierigste Schritt, mich auf dieses Abenteuer einzulassen, auch wenn ich es anfangs für kürzer hielt. Denn der schwierigste Schritt ist, es wirklich zu beginnen, und wenn man erst einmal akzeptiert hat, dass man sich auf einen seiner Träume einlässt und tatsächlich darauf hinarbeitet, werden die Dinge viel leichter, fließen wirklich viel leichter. Als ich auf dieser Reise war, fragten mich die Leute oft: „Wie kannst du immer weiter machen?“. Und ich meine, die Frage müsste eher lauten: „Wie kannst du aufhören?“. Denn wenn man seinen Traum lebt, ist das eine wunderbare Sache, und man wird dafür wirklich belohnt. Es durchzuziehen ist der schwierige Teil. Manchmal braucht man auch einen Freund, mit dem man seinen Traum teilt, von dem man weiß, dass er einem sagt, dass man es tun soll, der einem helfen kann, und dann kann es beängstigend sein, aber wenn man es nicht versucht, wird man nie wissen, ob es einem gefallen hätte oder ob es möglich gewesen wäre. Also probiere es aus.

Binni:
Diese Antwort gefällt mir.

Vielen Dank, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast, François. Es war sehr inspirierend, von deiner Reise zu hören. Ich wünsche dir alles Gute auf dem letzten Abschnitt von deinem unglaublichen Abenteuer. Happy Cycling!

François:
Vielen Dank für die Gelegenheit, Binni, und viel Rückenwind für dich!

Binni:
Muchas gracias!

François:
A ti!


Das Interview wurde am 22.12.2024 aufgenommen.

  1. für die bessere Lesbarkeit angepasst[]

Kommentare

Eine Antwort zu „Von Alaska nach Argentinien – Interview mit François“

  1. Benutzer Icon
    Andreas

    Lieber Binni, lieber François,

    lebt weiter euren Traum und genießt die Zeit.

    Liebe Grüße aus Deutschland

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