Welcome to Iran!

Der Iran war für mich ein lang ersehntes Land, wenn man so will ein erstes großes Ziel auf dieser Reise. Das Land welches aus dem Persischen Reich hervorgegangen ist und für mich in Deutschland immer unglaublich weit weg erschien. Durch Blog-Beiträge, Dokumentationen, YouTube-Videos und Gespräche mit anderen Reisenden hatte ich so viele Dinge über das Land gehört – von aufgeschlossenen gastfreundlichen Menschen, Wüsten, der alten persischen Architektur, einem wunderbaren Radreiseland … . Das alles wollte ich mir selbst einmal anschauen.

Und wenn auch nicht alles was vorher so frohlockend klang am Ende eintrat, so war die Reise in den Iran äußerst spannend, interessant, schön und manchmal aber auch anstrengend. Ich würde meine Zeit im Iran als die bisher intensivste auf dieser Reise beschreiben. Ein Wermutstropfen bei dem Ganzen war, dass ich während der Zeit der Proteste gegen das totalitäre brutale Regime unterwegs war. Über diesen Aspekt der Reise habe ich bereits hier berichtet. Die Proteste gehen immer noch weiter, führen vielleicht sogar zu einer richtigen Revolution? Ich kann es für die Iraner*innen nur hoffen. „Frauen, Leben, Freiheit!“

Die ersten Tage im neuen Land

Von Novduz nach Jolfa.

An meinem ersten Tag im Iran sollte es mit 40°C unglaublich heiß werden, es stand also ein früher Start ins Haus. So war der Grenzübergang schon fünf nach sieben geschafft und es konnte noch bei angenehmen Temperaturen los in Richtung Jolfa gehen. Wäre die Strecke vom Grenzübergang in diese Stadt eine Pralinen-Schachtel, so würde sie „Cyclists delight“ heißen. Das Tal des Aras welcher die Grenze zu Armenien und ein paar Kilometer weiter zu Nachitschewan bildet, war wunderschön. Es gab zwar nicht viel Grün doch die Felsen waren so schroff und in den unterschiedlichsten Formen ausgebildet, die Augen konnten sich daran garnicht genug satt sehen. Auf jeden Fall war hier wieder mal eine neue Stufe von karg erreicht: Es gab noch weniger grün, dafür mehr des sandigen, steinigen Bodens zu sehen. Der Verkehr war zudem minimal, die Straße gut, es war wirklich optimal.

Schon am frühen Mittag war ich in Jolfa angekommen und lies mich in einem Park nieder. Nun galt es nur noch die Hitze im Schatten auszuhalten. Es dauerte nicht lange und schon kam ein kleines Mädchen von einer in der Nähe picknickenden Familie an und brachte mir in Brot eingerollte kleine Hähnchenschenkel. Etwas später kam eine Jugendliche vorbei, um mir gekühltes Wasser anzubieten. Wobei sie eher ein bisschen Englisch sprechen wollte. Als ich am Abend in einem anderen Park der Stadt mein Zelt aufstellte kam noch ein älterer Herr und brachte mir frisch zubereiteten Kebap. So viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft schon am ersten Tag – Merci!

Am nächsten Tag ging es über eine weitaus befahrenere, breite Straße nach Marand. Die Landschaft auf dem Weg in die Stadt war absolut karg. Waren die weiten Ebenen in Armenien wenigstes noch mit etwas Gras bewachsen, so waren sie hier kahl und maximal mit vertrocknetem Gestrüpp bestückt. Das sollte nun für die nächsten Wochen meine neue Realität von Ausblick werden. In Marand versuchte ich nach einer Wechselstube zu fragen und geriet irgendwann an den 17jährigen Hadi, der recht gut Englisch sprach und mir erklärte wo eine Wechselstube zu finden wäre. Ich begab mich in die Richtung und wenig später folgte mir Hadi, half beim Geldwechseln und so fragt ich ihn dann noch nach einem Mobilfunk-Geschäft, um gleich noch eine SIM-Karte zu organisieren. Am Ende landete ich bei Hadis Familie, wurde zu Mittag, Abendessen sowie zum Übernachten eingeladen. Mit seinen Verwandten und Freunden ging es am Nachmittag ins Umland von Marand zu einem besonderen Berg und einer renovierten Karawanserei sowie in den Garten der Familie. Die SIM-Karte wurde natürlich auch noch organisiert. Für die Familie war es eine sehr besonderes Ereignis einen Ausländer, dazu noch einen Radreisenden zu beherbergen. Für mich war es mindestens genauso besonders so aus dem Nichts aufgenommen und bewirtet zu werden. Merci!

Unterwegs in Tabriz.

Von Marand ging es weiter in die erste Großstadt im Iran: Tabriz. Matthias, der Radler aus Südtirol, war bereits dort und so quartierte ich mich im gleichen Hostel ein. Tabriz war so richtig voll von Menschen, überall wuselte es, der Verkehr wirkte äußerst chaotisch schien aber trotzdem zu funktionieren und es war alles andere als still. Ich schlenderte durch die Straßen und Gassen, staunend über das was es da alles zu sehen gab. Natürlich waren hier wie so oft in der islamischen Welt die selben Gewerke alle an einem Ort versammelt. Es gab Straßen nur mit Schuhgeschäften, Gassen in denen nur Werkzeug verkauft wurde, Gassen für Pumpen mit entsprechendem Zubehör, Bereiche nur mit Lampenläden und so weiter. Natürlich ließ ich mich auch durch die Gänge des großen Basars treiben. Der Basar von Tabris gilt als der größte überdachte Basar der Welt und ist schon viele Jahrhunderte alt. Er war einst ein wichtiger Handelspunkt auf der Seidenstraße. Treiben lassen beschreibt meine Fortbewegung auf dem Basar übrigens ziemlich gut, denn in den meisten Gängen war es brechend voll, ständig gab es Abzweigungen und wenn man nicht aufpasste war man völlig verloren in diesem Labyrinth aus Gängen. Ich war fasziniert von dem alten Ziegelmauerwerk, mit den Gewölbestrukturen, Licht-Öffnungen und den wunderschönen Kuppeln. Und wenn ich mich auf dem Basar in Istanbul gefragt habe ob dieses Treiben eine große Installation für Touristen war, hier war ich mir sicher dass es dies definitiv nicht war. Es war wirklich spannend zu sehen, dass diese uralte Form des Handels noch genauso überlebt hat, wenn es auch heute vielleicht etwas mehr funkelt und blinkt durch die elektrische Beleuchtung.

Die Blaue Moschee in Tabriz.

Etwas ruhiger ging es beim anschließenden Besuch der Blauen Moschee zu. Diese hat ihren Namen aufgrund der vielen blau bemalten Fliesen. Ansonsten kommt der große Ziegelsteinbau von 1465 recht schlicht daher. Der Moschee ist ihr Schicksal aus dem Jahre 1780 noch recht gut anzusehen – da wurde sie bei einem Erdbeben zerstört, die Rekonstruktion begann erst 1973.

Auf nach Isfahan!

Ende September stand lang erwarteter Besuch aus der Heimat auf dem Plan: Mit Christin und Peter wollten mich zwei sehr enge Freunde besuchen kommen. Zusammen sollte es im Backpacking-Stil für 14 Tage von Tehran nach Isfahan gehen. Aus verschiedenen Gründen beschloss ich nach Isfahan zu radeln, das Rad da zu parken und im Anschluss per Bus nach Tehran zu fahren.

Von Tabriz nach Isfahan waren es ungefähr 900 Kilometer, mein ehrgeiziges Ziel war das Ganze in zehn Tagen zu schaffen. Natürlich blieb auf diesem Abschnitt dann nicht so viel Zeit zum Besichtigen. Die gewählte Strecke selbst war auch nicht so reizvoll, ging es doch auf recht direktem Weg und meistens leider über große Straßen nach Isfahan. Ich wollte mir etwas später noch für ein paar „schönere Routen“ Zeit nehmen.

Das Öldscheit-Mausoleum in Soltaniyeh.

Die ersten rund 300 Kilometer bis Zanjan waren noch recht interessant. Anfangs ging es durch ein schönes Tal, später durch landwirtschaftlich genutzte Fläche. Ich sah wie die Menschen die Felder bewässerten, Verkaufsstände für Melonen und anderes Obst am Straßenrand, jede Menge blauer Zamyad Pickups, Weinplantagen und zahlreiche Äcker auf denen verschiedenes Gemüse oder Getreide angebaut wurde. Auch der dann folgende Abstecher nach Soltaniyeh war spannend. Dort steht das Öldscheit-Mausoleum, mit 49 Metern Höhe ist der Ziegelstein-Dom das drittgrößte sakrale Bauwerk der Welt. Und es war schon ein ziemlich wuchtiges Ding dieser Dom, der wie eine überdimensionale Moschee aussieht. Im Inneren war er gerade komplett mit Gerüsten vollgestopft, da er renoviert wird – eine Besichtigung war aber trotzdem möglich.

Auf dem Weg nach Isfahan.

Auf dem „restlichen“ Stück nach Isfahan wurde es dann allerdings recht fade. Die Landschaft war äußerst karg wie eingangs schon beschrieben, der Verkehr auf der Straße schon ganz schön stark aber dank eines breiten Seitenstreifens war es für mich als Radler meistens recht sicher. Gesund war es bestimmt nicht Tag ein Tag aus auf diesen Straßen unterwegs zu sein, denn ein LKW folgte dem nächsten und so war es ständig laut und es stank – die Abgasbelastung im Iran ist schon nochmal eine ganz andere Nummer als in Europa. Die Temperaturen erreichten jetzt „nur noch“ um die 35°C, ich startete deswegen immer kurz vor Sonnenaufgang und erreichte das Tagesziel so meistens schon gegen Mittag. Ich radelte in dieser Zeit immer von Stadt zu Stadt. So gab es Nachmittags in den Parks einen Schattenplatz zum Entspannen und dank der Geschäfte konnten Lebensmittel für die nächste Tagesetappe aufgestockt werden. Wasser gab es ebenfalls in den Parks, das Zelt stellte ich wie viele reisende Iranis auch unter einem der Pavillons in den Parks auf.

Die alte Karawanserei.

An einem Vormittag tauchte rechter Hand in der dunstigen Ferne ein scheinbar altes Gebäude auf. Konnte dies vielleicht eine alte Karawanserei sein? Ein Weg zu dem Gebäude war schnell gefunden und wenig später betrat ich dann tatsächlich eine riesige alte Karawanserei. Teile des Gebäudes waren schon ziemlich verfallen, die Grundstruktur aber noch ganz gut erhalten. Die Bauweise der Karawanserei war komplett verschieden von der in Armenien. Hier handelte es sich um ein Gebäude mit einem großen quadratischen Innenhof. Dieser Innenhof ist komplett von länglichen Gebäuden umgeben, mit zahlreichen Räume jeweils mit Gewölbedächern. Es gibt einen zentralen imposanten Eingang in der Mitte eines der Gebäudeflügel, in den Mitten der anderen drei Gebäudeflügel befindet sich jeweils ein „Iwan“. Dies ist eine Art offene Halle mit einem gewölbeförmigen Kuppeldach. Die ganzen Karawanserein im Iran schienen nach dieser Form gebaut zu sein, sie unterschieden sich lediglich in den Details und auch in ihrer Größe. Die hier besuchte Karawanserei scheint noch etwas genutzt zu werden, denn die Räume waren voll von Schaf-Dung. Unweit der Karwanserei sah ich auch ein paar Herden mit Schafen sowie Ziegen und ihren Hirten über das Land ziehen. Und auch wenn es nur ein altes zerfallenes Gebäude war, der Abstecher dahin hatte sich mehr als gelohnt. Das Gefühl dieses alte Gemäuer ganz allein und in Ruhe zu erkunden war großartig.

Der Hirte an seinem Arbeitsplatz – den ganzen Tag in der prallen Sonne.

Isfahan erreichte ich letztendlich nach elf Tagen. Einmal lud mich ein Warmshowers-Gastgeber ein noch einen weiteren Tag zu bleiben, ein andermal bließ der Wind so heftig, dass die anvisierte Tagesstrecke schlicht auf zwei Tage gesplittet werden musste. Ich war trotzdem rechtzeitig in Isfahan angekommen. Die Stadt selbst ist dann aber schon wieder einen anderen Artikel wert.


Reisezeit: September 2022

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