Die andere Seite meiner Zeit im Iran

Lange habe ich überlegt ob es diese Zeilen hier geben wird oder nicht. Und was genau ich zu diesem Thema zu sagen habe. Es ist schwierig, es ist ein persönlicher Bericht, ein Bericht über ein Gefühl. Ein Bericht der leicht missverstanden werden kann, der den Iran leicht schlecht da stehen lassen kann, dies aber auf keinen Fall will.

Auf meiner aktuellen Reise geht es mir darum ein Gefühl von Freiheit zu erleben, andere Kulturen kennenzulernen, die Wunder unserer wunderschönen Erde zu bestaunen und jede Menge zu lernen. Der Iran war eines von mehreren Zielen, die ich von Beginn der Reise an sehr gern erreichen wollte. So viel hatte ich schon über dieses Land von anderen Reisenden gehört. Entweder über Reisedokumentationen diverser Art oder direkt in Gesprächen mit anderen Reisenden. Alles klang verlockend: Die so hoch gelobte Gastfreundschaft der Iranis, die Geschichten von den verrückten Erlebnissen die einem dort geschehen würden, die besondere Landschaft und das historische Erbe des Landes sowie die alte persische Architektur. Als ich in Armenien den letzten Pass vor der Iranischen Grenze bezwungen hatte und bereits aus der Ferne in dieses lang ersehnte Land schauen konnte, war ich so enorm voller Vorfreude auf dieses Ziel, wie schon lange nicht mehr.

Es hatte sich eine Erwartung in mir aufgebaut, die vermutlich etwas „drüber“ war. Oder vielleicht hatte ich andere Dinge einfach nicht erwartet?

Nasir al Mulk Moschee, Shiraz.

Nasir al Mulk Moschee, Shiraz.

Die außerordentliche Gastfreundschaft und die Magie der Landschaft sowie der historischen Stätten habe ich erlebt – so wie erhofft. Es gab genügend Einladungen, viel mehr habe ich ausgeschlagen – zum einen weil es mir manchmal zu viel war, weil es sich ein andermal nicht richtig anfühlte oder weil ich gerade auch mal meine Ruhe habe wollte. Die von mir angesteuerten Ziele haben mich sämtlich sprachlos gemacht, in den bisherigen Berichten dürfte das ziemlich gut zum Ausdruck gekommen sein. Aber da war halt noch mehr.

Zum einen war es die bedrückende Situation durch die Repressalien des Regimes als Antwort auf die Proteste ausgelöst durch den Mord an Jina Amini. Im ersten Blog Post zum Iran habe ich dazu bereits ausführlich geschrieben. Jedenfalls hat diese Situation meine Route geändert und mein Verhalten, es hat mich etwas eingeschüchtert, weniger offen gemacht. Und es war definitiv der Grund weshalb ich froh war am 13. November wieder ausgereist zu sein.

Zum anderen kam ich aber oftmals nicht mit der mir entgegengebrachten Aufmerksamkeit klar. Ausländische Touristen sind in dem Land noch nicht die Regel. Erst recht nicht, wenn man sich so wie ich individuell per Rad auch an Orte begibt, wo normalerweise keine Touristen anzutreffen sind. Und die Iranis sind sehr neugierig. So wurde mir die Frage des „Woher“ teilweise 50 mal täglich gestellt, meistens ist das dann auch die einzige Art von Kommunikation außer Starren gewesen. Keine Begrüßung und weitere Unterhaltung. Auf einmal selbst die begehrte Attraktion zu sein, damit kam ich nicht immer klar. Ich war teilweise ganz schön genervt. Auf die Spitze treiben konnten das Gruppen von 10 – 15 jährigen Jungs, doch hatten andere Radreisende damit mehr Probleme als ich.

Außerdem sind mir auch noch ein paar weniger schöne Dinge passiert. Ich wurde mehrfach bestohlen (ist mir jedoch schon viel öfter in Deutschland passiert), ich habe sexuelle Belästigung erfahren (ist mir auch schon in anderen Ländern vorgekommen) und hatte eine beängstigende Situation während des Campens („andere“ beängstigende Situationen gab es ebenfalls schon in anderen Ländern).

Dazu kamen Geschichten von anderen Radreisenden die teilweise noch krasser waren und zeitgleich zu meiner Reise durch das Land passiert sind – mir aus erster Hand berichtet.

Das alles zusammen genommen war schon nochmal eine ganze Ladung Kontrast-Programm zu den hoch gesteckten Erwartungen, die sich ja trotzdem erfüllt haben. Etwas, was es mental zu verarbeiten galt. Etwas, was mein Gesamterlebnis „Iran“ prägte und gemischte Gefühle hinterließ.

In den bisherigen Blog Posts habe ich viel über dieses Land geschwärmt. Zu recht. Aber die hier geschilderten Erfahrungen waren nunmal auch Bestandteil meiner Iran-Reise.

Schah Tscheragh Schrein, Shiraz.

Schah Tscheragh Schrein, Shiraz.

Schon bei meinen Eindrücken zu den Protesten Ende 2022 im Iran habe ich geschrieben, sehr froh gewesen zu sein, dieses Land besucht zu haben. Das stimmt nach wie vor, ich würde den Iran auch wieder bereisen. Vermutlich würden mir diese unschönen Dinge nicht wieder passieren, dafür vielleicht wo ganz anders auf dieser Welt. Doch bevor ich wieder in den Iran reise, braucht es dort erst mal ein anderes Regime.

Und ja, meine aktuelle Reiseform ist vermutlich nicht die aller sicherste. Aber sie passt für mich gerade nun mal sehr gut. Ich möchte diese Art zu Reisen gerade nicht tauschen. Risiken lauern an jeder Ecke, auch wenn ich einem geregelten Arbeitsleben

Kommentare

Eine Antwort zu „Die andere Seite meiner Zeit im Iran“

  1. Benutzer Icon
    Andreas

    Bestohlen zu werden und sexuelle Gewalt zu erleben schmälert natürlich den Eindruck eines Landes mit vielen tollen Möglichkeiten.
    Ich finde man liest deinen Respekt für die Schönheit dieses Landes und die Träne in deinem Auge, welche durch die Sorgen um die Bevölkerung entsteht.

    Leider war das genau meine Erwartung an den Iran.

    Ich hoffe für alle Iraner auf eine bessere und zufriedenere Zukunft.

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