Qeshm – Vom Meer umzingelte Wüstenlandschaft

Von der Insel Hormuz ging es für das Tier und mich direkt mit der Fähre weiter auf die nächste Insel im Persischen Golf: Qeshm. Auch dieses Eiland gehört zum Iran, hat jedoch einen besonderen Status. Qeshm ist zum einen eine Freihandelszone, was für mich durch Unmengen von Einkaufszentren in Qeshm Stadt und den unzähligen Toyota Hilux mit Inselkennzeichen zum Ausdruck kam. Letztere gibt es nämlich auf dem Festland nicht zu sehen. Zum anderen lässt sich Qeshm über den internationalen Flughafen für die meisten Nationen auch ganz einfach per On-Arrival Visum besuchen. Sofern man die Insel nicht verlassen möchte eine gute Variante ohne die aufwendige Visumsprozedur den Iran zu besuchen.

Allerdings fühlt sich Qeshm wie auch Hormuz eher weniger nach Iran an. Die Bevölkerung scheint eher arabisch geprägt zu sein. Im Gegensatz zum Festland ist die Insel sunnitisch. Die Frauen tragen sehr bunte Gewänder sowie spezielle künstlerisch gestaltete Gesichtsmasken. Es herrscht Inselcharme, bis auf Qeshm Stadt wirkt es überall recht ruhig und entspannt. Alles fühlte sich etwas weniger konservativ als auf dem Festland an.

Qeshm ist schon eine recht große längliche Insel: Circa 135 Kilometer lang, an der breitesten Stelle misst sie rund 40 Kilometer. Mit dem Passagierboot lässt sie sich von Bandar Abbas oder von Hormuz aus in jeweils unter einer Stunde erreichen. Von Bandar-e-Pol gibt es auch eine Autofähre auf Qeshm, dort müssen nur knapp zwei Kilometer über das Wasser zurückgelegt werden. Die Temperaturen lagen Anfang November um die 30°C aufwärts, dazu eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und jede Menge Sonne.

Unterwegs in Richtung des verschlafenen Dorfes Laft.

Angekommen in Qeshm Stadt machte ich mich erstmal auf die Suche nach einer günstigen Unterkunft – eine Dusche war mal wieder dringend nötig. Die Suche gestaltete sich als eher schwierig, was nicht am mangelnden Angebot sondern eher an meiner Knausrigkeit lag. Aber die Hotels in Qeshm sind für iranische Verhältnisse echt teuer. Das Diplomat Hotel kann ich jedenfalls nicht weiterempfehlen, ich war froh am nächsten Morgen aus der stinkenden Bruchbude wieder raus zu sein. Allgemein hat auch die ganze Stadt absolut nichts zu bieten, zumindest wenn man nicht gerade shoppen will.

Mein Ziel war es die gesamte Insel zu umrunden und dabei die ein oder andere Attraktion zu bestaunen. Es ging also zunächst in Richtung Laft. Doch meine Freude endlich aus Qeshm Stadt raus zu sein verflog ziemlich schnell. Die Landschaft war öde, die Stadt Dargahan hässlich und schmutzig, es war furchtbar schwül. Für die Mittagspause gab es ein schattiges Plätzchen nahe des Wassers zwischen zwei Werften. In der Mittagsruhe besserte sich meine Laune und ich beobachtete das gemächliche Treiben auf den Werften. Da wurden tatsächlich riesige Holzboote gebaut oder gewartet, sogenannte „Lenj“. Die Boote sind farblich schön gestaltet und verfügen über einen recht eindrucksvollen „Kajütenaufbau“ am hinteren Ende (ja, da spricht ein Fachmann). Es handelt sich um traditionelle Boote, wie sie seit vielen Generationen im Persischen Golf genutzt wurden, allerdings scheint diese Tradition wohl leider auszusterben.

Nach der Mittagspause versöhnte sich auch die Landschaft so langsam mit mir. Denn nun gab es die ersten recht beeindruckenden Felsformationen am Straßenrand zu bestaunen. Durch Wind- und Wassererosion bizarr geformte Felsen aus Mergel und Sandstein, eingebettet in eine wüstenartige Landschaft. Einfach richtig schön zum anschauen. Etwas später war das kleine gemütliche Fischerdorf Laft erreicht – dort gab es viele Windtürme zu sehen, im Hafen lagen einige der Lenj Boote. Ein paar Kinder spielten Fußball, an einem zentralen Platz saßen ein paar ältere Männer und unterhielten sich, ansonsten war es recht ruhig. Ich suchte mir einen Campingspot ein paar Kilometer außerhalb des Dorfes zwischen vertrocknetem Gestrüpp, peinlich darauf achtend keine fiese Stachel-Vegetation in die Reifen zu bekommen.

Unterwegs im Tandis Tal.

Am nächsten Tag war die Luft irgendwie diesig. So richtigen Weitblick gab es nicht. Trotzdem ging es erstmal weiter in Richtung des Tandis Tals. Dort sollte es spannende Felsformationen zu bestaunen geben. Die Strecke war flach, so ging es schnell voran aber als ich die kleine Stadt Tabl hinter mir gelassen hatte und eigentlich schon kurz vor dem Tal war, hielt ich inne. Bei dieser diesigen Luft machte es keinen Sinn ein vermutlich spektakuläres Tal zu besuchen und fotografieren zu wollen. Ich suchte mir also einen schattigen Platz an einer zerfallenen Lehmhütte und verbrachte dort einige Stunden lesend. Als ich gegen Abend nochmal zurück nach Tabl fuhr um ein Restaurant aufzusuchen, kam mir auf einmal ein anderer Radler entgegen. Es war Matthias – was für eine Überraschung. Diesmal hatten wir uns nicht verabredet, hatten uns eigentlich schon knapp zwei Wochen zuvor so richtig verabschiedet und trafen uns nun hier wieder. Es gab viel zu erzählen. Am Ende rollten wir gemeinsam im Dunklen in das Tandis Tal, in der Hoffnung auf eine bessere Sicht am nächsten Morgen.

Die Magie der Straße bescherte uns einen kleinen Pavillon als Schlafplatz in einer ansonsten menschenleeren Umgebung. Und auch wenn wir bei der Anreise im Dunklen schon so einiges der gigantischen Felsen um uns herum erahnen konnten, so richtig beeindruckt waren wir bei Anbruch des nächsten Tages. Die Erosion hatte direkt vor unserer Nase wahre Kunstwerke erschaffen. Riesige Felswände mit wahrlich bizarren Formationen. Nach dem Frühstück ging es noch ein Stück weiter hinein in das Tal, wo sich eine Art gigantischer Canyon auftat. Was für eine unwirkliche Landschaft.

Vom Chah Kooh Canyon zum Sonnenuntergang nochmal schnell die Insel gequert.

Unser nächster Stopp war der etwas weiter nördlich gelegene Chah Kooh Canyon, der ebenfalls wieder ein wunderschönes Verwitterungsprodukt von Mutter Natur darstellte. Mit ein paar kleinen Kletterpassagen konnte man dort in teilweise sehr enge Schluchten gelangen und staunen.

Zum Sonnenuntergang querten wir noch mal schnell die Insel und kamen auch da wieder an äußerst eindrucksvollen Felsformationen vorbei. Laut Karte sollte es auf der anderen Inselseite in dem Dorf Kany ein Restaurant geben. Als wir dieses in der Dämmerung erreichten war das Tor verschlossen. Und auch wenn es nicht so richtig nach Restaurant aussah, so klopften wir in der Überzeugung dort richtig zu sein. Natürlich wurde uns geöffnet, wir waren richtig. Binnen weniger Minuten hatte uns eine der anwesenden Frauen einen Teppich ausgebreitet und damit einen Platz im Hof zugewiesen. Der älteste Sohn versuchte nun mit uns das zu servierende Gericht auszuhandeln – die Kommunikation war schwierig, doch irgendwie gelang auch das. Während wir auf das Essen warteten präsentierte uns der jüngste Sohn seine Muschelsammlung und so allerhand anderer Dinge auf die er mächtig stolz war. Insgesamt waren es drei Kinder die uns belagerten und alle etwas wollten. Doch als das Essen dann kam, hatten wir wieder unsere Ruhe. Es schmeckte gut, war aber für den gut trainierten Radlermagen etwas wenig. Doch es war schon recht spät und wir wollten noch weiter zum Strand, einen Campspot finden. Unsere Gastgeber waren äußerst überrascht und traurig, dass wir nicht noch bei ihnen nächtigen wollten – sie hatten wohl noch auf ein größeres Geschäft gehofft. Im Stockdunklen ging es für uns nun auf einer Waschbrett-Piste weiter in Richtung eines möglichen Nachtlagers. Nicht unbedingt die beste Tageszeit für so eine Strecke aber da mussten wir nun durch. Erst beim dritten Anlauf fanden wir eine Stelle, die uns geeignet schien – puh endlich geschafft.

Strand, Namakdan Salzhöhle, bizarre Felsformationen am Straßenrand.

Der Ritt auf der Waschbrettpiste ging für uns am nächsten Tag weiter. Und auch wenn es das am schwierigsten fahrbare sowie am meisten Kräfte zehrendste Stück auf der Insel war, für mich war es das Schönste. Hier kam wieder die Magie der Entlegenheit zum Vorschein, kombiniert mit einer absolut faszinierenden Landschaft. Wir waren fast die Einzigen, die da unterwegs waren – ab und zu trafen wir Kamel-Hirten oder es passierte auch mal ein Jeep die staubige Piste. Schon recht bald nach dem Starten teilten wir die Straße für ein paar hundert Meter mit einer Kamelherde, die alles andere als scheu waren.

Der nächste anvisierte Stopp war die Namakdan Salzhöhle, die direkt an unserem Weg liegen sollte. Wir freuten uns schon darauf für eine Weile etwas ins kühle Dunkel abzutauchen und so dem schwülen Wetter draußen zu entgehen, doch daraus wurde leider nichts. In der Höhle war es gefühlt noch etwas wärmer, zumindest war die Luftfeuchtigkeit nochmal ein ganzes Stück größer. Interessant war es in der Höhle aber trotzdem. Bei dem Höhlensystem handelt es sich mit knapp über sechs Kilometern wohl um das längste Salzhöhlensystem der Welt. Für uns war aber nur ein kleiner Teil zugänglich, um das gesamte System zu besuchen ist ein Guide notwendig. Aber die klimatischen Bedingungen in der Höhle hielten uns eh nicht so lang da drin.

Den Rest des Tages genoss ich weiter die bizarre Landschaft entlang der Piste. Rechts war das Meer und direkt daran schloss sich eine sandige, wüstenartige Umgebung mit lauter wunderschönen von Wind- und Wasser geformten Felsformationen an.

Unterwegs im Stars Valley.

Am letzten Tag der Inselumrundung steuerten wir noch das Stars Valley an. Dabei handelt es sich wieder um einen Canyon mit den für Qeshm typischen Felsformationen. In diesem kleinen Tal war die Touristen-Infrastruktur am weitesten ausgebaut. Am Eingang gab es einen großen Parkplatz, Schatten spendende Pavillons und durch das gesamte „interessante“ Gebiet war ein dedizierter Weg abgesteckt, auf dem es über und zwischen den einzelnen Felsen hindurch ging. Auch war dort am meisten los im Vergleich zu den anderen von uns besuchten Orten. Aber kein Wunder, schließlich liegt das Stars Valley ziemlich nah an Qeshm Stadt und zeigt im kleinen Rahmen, wie es so auf der Insel aussieht. Wenn dieser Ort sowas wie die Bastei der Sächsischen Schweiz bleibt, ist das vielleicht für die anderen schönen Orte auf der Insel auch ganz gut so.

Wir waren in dem Tal allerdings nicht mehr zu zweit unterwegs, denn kurz zuvor trafen wir auf Joakim – einen Radler aus der Schweiz. Auch wir kannten uns schon, waren wir doch alle gleichzeitig im Hostel in Isfahan zu Gast. Zu dritt ging es für uns nun nach Qeshm Stadt zur Hotelsuche. Ich war natürlich schon etwas skeptisch. Matthias kannte eine Art Hostel von einer vorherigen Reise doch dies hatte aus wirtschaftlichen Gründen leider schließen müssen. Aus Spaß hielten wir an einem vier Sterne Hotel, um einfach mal nach den astronomischen Preisen zu fragen. Doch schon ein paar Minuten später schoben wir unsere dreckigen Reiseräder durch die feine Lobby in eine Art Gepäckraum. Der Chef hatte uns einen ziemlich guten Preis für eine Suite gemacht, perfekt für unser Reisebudget.

Matthias und Joakim setzten am nächsten Morgen auf Hormuz über. Ich hatte bereits vor einigen Tagen in Bandar Abbas ein Zugticket für die möglichst einfache und sichere Ausreise in Richtung Türkei erstanden und musste nur noch ein paar Tage darauf warten. Das Auswärtige Amt hatte mittlerweile alle Deutschen aufgefordert den Iran zu verlassen. Da Qeshm als sicher galt, warf ich das Reisebudget für die kommenden Tage mal etwas über Board und blieb noch in dem Hotel. Die kleine Pause tat gut, es entstanden ein paar Blog Artikel, der Plan für die Überwinterung auf Zypern und sogar die neue Idee für den kommenden Sommer. Doch dazu später mehr.

Abgesehen von der Stadt Qeshm selbst kann ich die Insel sehr empfehlen. Es gibt auch noch weit mehr zu sehen, zum Beispiel einen recht großen Mangrovenwald, die kleine Nachbar-Insel Hengam, eine alte Höhlensiedlung, Vögel, Schildkröten. Ich hatte nicht auf alles davon Lust, für manche dieser Punkte war auch gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Ein paar Wochen später wären die Temperaturen wohl noch etwas angenehmer gewesen. Im Januar und Februar ist es am kühlsten, allerdings herrscht dann auf Qeshm und Hormuz Hauptsaison, da die Inseln begehrte Reiseziele für die Festland-Iranis sind. Das Fahrrad war zum Entdecken der Insel tatsächlich das beste Fortbewegungsmittel, denn so etwas wie einen Busservice gibt es da nicht. Die Distanzen sind relativ groß und mit dem Rad hat man die Freiheit einfach überall da zu verweilen wo man gerade will. Unterkünfte gibt es auch nicht überall, insofern war auch das Zelt perfekt.


Reisezeit: November 2022

Kommentare

2 Antworten zu „Qeshm – Vom Meer umzingelte Wüstenlandschaft“

  1. Benutzer Icon
    Andreas

    Wie ihr mit euren Fahrrädern durch die Lobby gerollt seit, dass hätte ich gerne gesehen.

    1. Benutzer Icon

      Die Leute starren einen im Iran eh an, so als westlicher Tourist mit voll bepacktem Reiserad. Das dann mal noch durch ne vier-Sterne-Hotel-Lobby zu schieben ist zumindest für mich dann kein großer Unterschied mehr 😀

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