Es war Anfang Juni als ich Serbien nach Ungarn verließ um in Richtung Heimat zu radeln. Noch gab es jeden Nachmittag oder Abend ein Gewitter, aber es bleib jeweils bei diesem einmaligen Regenguss pro Tag. Ansonsten war es wunderbares T-Shirt Wetter, die Mücken waren am Abend bereits voll am Start. Das gemütliche Reisetempo wollte ich beibehalten, allerdings noch nicht in Ungarn. Zwar hatte ich bereits zu Reisebeginn die wirklich großartige Gastfreundschaft der Ungarn über Warmshowers mehrfach genossen, doch die flache Landschaft der panonischen Tiefebene war eher nicht so mein Fall. Darum stellte ich mir zunächst erst einmal die Herausforderung dieses platte Land möglichst schnell zu durchqueren. Drei Tagesettapen später ging es dann in die Slowakei – da wo es wieder Hügel und Berge gab, da wo es nun gemütlich weiter gehen sollte.
In Ungarn ist es im Wesentlichen flach.
Bei der ersten Tour durch die Slowakei im Herbst 2021 hatte ich die Stadt Banská Štiavnica als unbedingte Empfehlung bekommen. Zur damaligen Route hatte die allerdings nicht so ganz gepasst, also ging es diesmal dahin ohne konkret zu wissen, was mich da nun erwarten würde. Aus dem Südwesten in die Stadt kommend sah ich schon vom Ortseingang aus ein paar Türmchen diverser Gebäude die auf viel Status hin wiesen. Außerdem stand da ein großes Schild und prahlte mit dem UNESCO Weltkulturerbe-Titel. Aha, es war also kein Geheimtipp den ich da bekommen hatte. Nur ein kleines Stückchen weiter befand sich ein Bergbaumuseum – Banská Štiavnica war einst eine bedeutende Bergbaustadt und ist auf diesem Wege zu einem gewissen Wohlstand gekommen. In der Altstadt sieht man diesen Wohlstand am besten, denn da stehen viele Gebäude mit aufwendig gestalteten Fassaden. Die Gebäude sind liebevoll restauriert und sind schon ganz hübsch anzusehen. In den engen Straßen und Gassen befinden sich kleine Cafés und Restaurants sowie Boutiquen die offensichtlich auf Touristen aus sind. Die Stadt ist also ein Kleinod welches auf den Tourismus setzt, mit Bilderbuchstraßen aufwartet, mit diversen Bergbau-verknüpften Attraktionen, zwei Schlösschen, Kirchen, und einem Hügel (Kalvarienberg) mit 24 Kapellen sowie zwei Kirchen in denen der Leidensweg Jesus dargestellt ist, ausgestattet ist. Die Gebäude sind in Hanglage über das Örtchen verteilt. Mit einem dick bepackten Reiserad, sollte man sich taktisch klug überlegen, in welcher Reihenfolge man interessante Punkte ansteuert. Aber ja, die Stadt ist schon ganz schön gelegen und pflegt sich gut in die Mittelgebirgslandschaft ein. Die Roma-Siedlung in ein paar abgeranzten Plattenbauten an einem alten Schacht befindet sich ein Stückchen außerhalb der Stadt, so dass diese von den Reisebussen aus auch nicht gesehen werden muss.
Auf nach Banská Štiavnica.
Von Banská Štiavnica aus ging es langsam in Richtung Tschechische Republik weiter. Oftmals führte die Route durch schöne Wälder oder auf kleinen Straßen entlang von Feldern und hin und wieder gab es auch dezidierte Fahrradwege – was für ein Luxus! In Tschechien ist die Fahrradinfrastruktur noch viel stärker ausgeprägt: Überall gibt es die kleinen Wegweiser speziell für Radfahrer mit verschiedenen nummerierten Routen, in vielen Städten werden die Radfahrer fernab des dichten Autoverkehrs auf kleinen Wegen hindurch geführt – das ist schon ziemlich gut. Aber davon gab es hier ja bereits 2021 etwas zu lesen, was mir allerdings bei diesem erneuten Besuch in Tschechien auffiel, waren die Unmengen von E-Bike-Fahrern überall. Das war vor zwei Jahren definitiv noch nicht so extrem ausgeprägt. Es waren wirklich ganze Horden unterwegs. Meist waren es entweder Familien, Pärchen oder ganze Gruppen von Rentnern. Auf den Landstraßen brausten viele PKWs an mir vorbei, ausgestattet mit Fahrradträgern und beladen mit E-Bike-Panzern.
Das Wetter hatte sich mittlerweile die täglichen Regengüsse abgewöhnt, die Temperaturen waren schön sommerlich aber noch nicht zu heiß – paradiesisches Wetter zum Radeln und Kampieren. Ich versuchte nun immer das Zelt an einem Teich oder See aufzustellen, was tatsächlich recht oft gelang. Doch Baden war leider nicht immer drin. Entweder war der Uferbereich extrem zugewachsen, die Brühe war super dreckig oder der Wind drückte den ganzen schwimmenden Siff genau dahin, wo man eigentlich perfekt ins Wasser hätte gehen können. Doch es gab sie, die hervorragenden Spots, da wo es sich herrlich baden ließ, die Radelklamotten vom Schweiß befreit werden konnten (liebe Naturfreunde draußen geht das komplett ohne Waschmittel – den groben Dreck bekommt man schon raus) und sich einfach nur entspannen ließ. Wenn so eine perfekte Stelle auch hin und wieder mal unerwartet bereits tagsüber auftauchte, beendete ich den Radeltag auch schon mal vorzeitig und genoss den Rest des Tages am See. Gestört hat das Niemanden, kein einziges Mal kam jemand und beschwerte sich über mein Zelt, ich wurde eher freundlich gegrüßt, hin und wieder gab es eine kleine nette Plauderei. Meistens waren auch ein paar Angler da, manche mit super krasser Highend-Ausrüstung, andere mit einem kleineren Setup. An Wochenenden gab es manchmal ganze Gruppen die dann an den Ufern ganze Zeltstädte mit Feldbetten, Klapptischen, schattenspendenden Pavillons und so weiter errichteten. Hin und wieder erwischte ich aber auch einen Teich der der ausschließlichen Fischzucht diente, da herrschte dann Angelverbot und ich hatte absolute Ruhe.
Unterwegs im Thayatal Nationalpark.
Im Süden Tschechiens entdeckte ich auf der Landkarte einen kleinen Nationalpark – den Thayatal Nationalpark. Und da Nationalparks ja meistens schöne Natur zu bieten haben, war das nächste Ziel somit gesetzt. Im Tschechischen heißt er Podyji Nationalpark – er ist der Kleinste des Landes. Gelegen ist er bei dem Städtchen Znojmo direkt an der Grenze zu Österreich. Zur Zeit des Kalten Krieges befand sich da genauso eine abartige Grenzbefestigung wie in Deutschland. Mit entsiedeltem Hinterland, Schutzstreifen, tödlichem Elektrozaun, Fahrzeugsperren, Wachtürmen. Kurz vor dem Grenzübergang zum Österreichischen Städtchen Hardegg gibt es ein kleines Museum zur Geschichte dieses Bollwerks und ein paar Hundert Meter des Grenzzauns stehen auch noch als Mahnmal. Die Natur konnte sich in diesem von Menschen überwiegend frei gehaltenen Gebiet natürlich bestens entwickeln, weshalb der Nationalpark über eine sehr große Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren verfügt. Landschaftlich ist er zudem durch das tiefe Tal der Thaya geprägt – ein Fluss der aus Österreich nach Tschechien fließt. Heute lässt sich die Grenze völlig problemlos überqueren, dank Schengen auch ganz ohne Kontrollen. So radelte ich bei der Durchquerung des Nationalparks der auch auf Österreichischer Seite noch ein Stückchen weiter geht für ein paar Kilometer durch das Nachbarland.
Aufgrund des ehemaligen Eisernen Vorhangs stieß ich in der Gegend auch wieder mal auf den Eurovelo 13 (Iron Curtain Trail), dem ich grob in Richtung Budweis folgte. Die Grenzregion war relativ ruhig, der Verkehr nicht sehr stark. Das Navi lotste mich aber auch immer wieder auf Wege fernab der Straßen die sich hervorragend fahren ließen. Das neue Ziel war ein Gebiet mit Dutzenden von Teichen ein kleines Stück östlich von Budweis. Angekommen in dem Teichgebiet ging es oftmals über Dämme zwischen den einst für die Fischzucht angelegten Teichen hindurch – eine wunderbare Landschaft und natürlich gab es auch hervorragende Badestellen. Für einen Tag hatte ich sogar mal wieder etwas Radelgesellschaft, denn ich traf Ebe aus Belgien und er kam mir ausnahmsweise mal nicht entgegen sondern war in Richtung seiner Heimat unterwegs. Es gab jede Menge zu erzählen. So änderten wir beide unsere jeweilige Tagesetappe etwas ab, um noch gemeinsam zu kampieren und mit einem Bierchen anzustoßen. Danke für die nette Gesellschaft!
Český Krumlov.
Mich zog es nach den Teichen nochmal in bergigere Gefilde: Der Böhmische Wald war gar nicht so weit weg und bisher kannte ich nur die deutsche Seite (den Bayrischen Wald) davon. Auf dem Weg dahin lag die Stadt Český Krumlov, deren Altstadt ein kleines mittelalterliches Bilderbuchparadies ist. Man könnte sagen Český Krumlov ist das Rothenburg ob der Tauber in Tschechien, denn die Altstadt ist schon ziemlich hübsch renoviert, strotzt aber auch von Touristen und wirkt damit schon fast ein bisschen Disneyland mäßig. Aber frei nach Rainald Grebe: „Zum Durchfahren ganz schön.“ Einen Tag später radelte ich bereits durch den Nationalpark Böhmischer Wald und genoss die schöne Landschaft des oberen Moldautals. Die Moldau mäandrierte wild vor sich dahin, hin und wieder gab es Moore zu bestaunen, kleine Seen und jede Menge Wald. Es ist offensichtlich, dass die Wälder einst zur reinen Holzgewinnung umgebaut wurden, viele der Flächen sind in Monokultur mit gleich alten Nadelbäumen bestellt. Hin und wieder kommt man auch an ein paar Holzschlägen vorbei, doch oft sieht man auch wie sich der Wald nun selbst überlassen wird und langsam verwildert. Bleibt es dabei, so dürfte der Böhmische Wald wohl mit jedem Jahr ein immer lohnenswerteres Ziel werden. Wander-, Fahrrad- und Skilanglaufwege sind in Hülle und Fülle vorhanden und gut markiert, so dass man ohne Probleme in den Wald eintauchen kann. Es gibt viel zu bestaunen.
Unterwegs im Böhmischen Wald.
Für mich ging es von da aus direkt in Richtung Böhmische Schweiz, schließlich wollte ich durch das wunderschöne Elbtal nach Dresden radeln. Doch das ist etwas für einen anderen Beitrag.
Endspurt in Richtung Heimat.
Reisezeit: Juni 2023
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