Ein Bild mit Geschichte

Eine der großen Freuden am Reisen ist es für mich Momente in Bildern festzuhalten. Seien es Bilder die einfach nur bestimmte Beobachtungen dokumentieren oder Bilder die ganze Geschichten erzählen. Dieses ist eines der Bilder, welches ich gerade stundenlang anschauen kann und dabei in Erinnerungen schwelge, Erinnerungen an die Etappe von neulich, die mich zu diesem Punkt geführt hat.

Da sind zum einen die vielen Ebenen von Gebirgszügen die da noch vor mir liegen. Mindestens genauso viele liegen hinter mir. Gebirgszüge die es zu überwinden galt, und die da noch kommen. Es ist ein Spiel aus dem es kein Entrinnen gibt. Mit saftigen, schweißtreibenden Anstiegen – manche so steil, dass ständig Pause gemacht und streckenweise auch immer wieder geschoben werden muss. Dazu die Schotterpiste auf der es zwar schön ruhig ist, dafür aber auch umso langsamer und beschwerlicher voran geht. Die Schotterpiste ist absolut staubig, schon seit Wochen habe ich keinen Regentropfen mehr gesehen, dafür brennt die Sonne um so heftiger vom Himmel. Dabei ist diese Schotterpiste hier noch ganz freundlich was den Staub angeht – auf anderen die mich an diesen Punkt brachten lagen fünf bis zehn Zentimeter dicke Schichten von feinstem Staub; wiederum andere waren so durchzogen von Schlaglöchern, dass es ein permanentes Schlängellinien-Fahren war; andere waren voll mit den hässlichsten Steinen und Blöcken überhaupt, die das Manövrieren des voll beladenen Rades darüber extrem schwer und unangenehm machten. Und wie mag das ganze wohl da vorn hinter der Kurve aussehen? Mittlerweile ist alles ordentlich eingestaubt, das Fahrrad, die Taschen, meine Schuhe, die Kleidung und auch mit dem Schweiß der mich bei den heißen Temperaturen herunter kühlt führt der Staub eine scheinbar freundschaftliche Beziehung. Immer dann wenn der Schweiß in den Klamotten gerade mal wieder etwas Zeit zum Trocknen hat, werden diese bretthart und bilden weiße Salzränder, so dass das ganze an Batikstoffe aus den 90ern erinnert. Die Landschaft um mich herum ist so extrem trocken, dass aktuell alle Bach- und Flussläufe ausgetrocknet sind. Es gibt keine Stellen wo man einfach mal kurz anhalten und sich mit etwas Wasser erfrischen könnte, das Hemd kurz eintauchen könnte. Dafür sind die Wege aber auch wiederum so schön trocken und nicht schlammig, in der Regenzeit möchte ich das nun wirklich nicht meistern müssen.

Das cremige Licht da im Himmel und der lange Schatten des Rads erinnert mich an den Campspot den ich dann nur ein paar Kurven weiter direkt neben ein paar gigantischen Kakteen aufgeschlagen habe. Ein Platz wo die kleine Stellfläche fürs Zelt wieder ewig lange abgesucht werden musste, um ja keine spitzen Dornen durch den Zeltboden und am Ende gar noch in die aufblasbare Isomatte zu bekommen. Dafür aber auch ein Spot in absoluter Einsamkeit mit dieser wunderbaren Landschaft um mich herum, in einer nahezu perfekten Art von Freiheit.

Ja ich kann dieses Bild ewig anschauen und einfach nur die Ästhetik der abgebildeten Landschaft genießen. Dieses Bild erfüllt mich aber auch mit einem gewissen Stolz es bis dahin geschafft zu haben. Und jetzt wo ich diese Zeilen hier schreibe auch mit einem Stolz es noch viel weiter über die ganzen weiteren Gebirgszüge da im Hintergrund geschafft zu haben. Die bisher beschriebenen Anstrengungen sind nur ein Teil der Miete, dazu kommen noch die Mentalen. Denn dann wenn es so extrem beschwerlich ist, wenn es nicht so schnell vorangeht wie gewünscht, wenn Schmerzen an verschiedenen Stellen des Körpers dazu kommen, wenn man sich wegen der Hygiene dreckig und eklig fühlt und es alles noch ewig lange dauern wird bis sich daran etwas ändert, dann haben die Gedanken besonders viel Zeit mit den Laufrädern um die Wette zu kreisen. Gedanken die dann auch mal die ganze Reise in Frage stellen, Gedanken ans Abbrechen, Gedanken wie es dann nach einem Abbruch weiter ginge, Gedanken ob solche Gedanken überhaupt sein dürfen wo man doch eigentlich das beste Leben überhaupt hat so frei zu sein und so unbeschwert Reisen zu können. Gedanken die die Stimmung drücken und alles irgendwie noch schwieriger machen. In diesen Phasen kommt jedes noch so kleine Hindernis, welches sonst völlig lächerlich erscheint wie ein absolut hässliches, nervig, störendes Element daher. Es ist nicht immer alles unbeschwert, vieles ist sehr relativ und hängt vom Betrachtungswinkel und der aktuellen Situation an. So schnell wie diese negativen Gedanken kommen können, so schnell verschwinden sie aber wieder auch. Es ist faszinierend wie die Stimmung auf so einer Radreise schwanken kann.

Dieses Bild erzählt mir so viel von der letzten Etappe, von der wunderbaren Umgebung durch die ich dort radeln durfte aber auch von den ganzen Anstrengungen und Herausforderungen dieser Etappe. Dieses Bild ist wie ein kleiner Pokal für mich.


Reisezeit: Februar 2024

Kommentare

3 Antworten zu „Ein Bild mit Geschichte“

  1. Benutzer Icon
    Andreas

    Das was unser Leben einen Sinn gibt sind die Erinnerungen vor der letzten Kurve.
    Das was ihm Spannung gibt sind die Dinge nach der nächsten Kurve.

    Gute Reise Binni.

    1. Benutzer Icon

      Schöne Worte. Danke dir!

  2. Benutzer Icon
    Andreas

    Du fährst nicht allein durch die Welt.
    Ein aktuell wichtiger und spannender Teil meines Lebens sind auch deine Berichte, das Staunen über jeden weiteren Pin auf der Weltkarte und der Stolz, dass du deine Freiheit lebst.

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