„Fahr nach Guanajuato, da ist’s schön!“ Das war einer der ersten Tipps, die ich von Asis bekam, sie beherbergte mich letztes Jahr in Frankfurt über Warmshowers. Und als gebürtige Mexikanerin, musste sie ja schließlich wissen, wo es schön in Mexiko ist. Damit war das erste Ziel für das riesige Land in Nordamerika gesetzt. In einer WhatsApp-Gruppe der Radel-Community wurde auch hin und wieder auf die guten Sprachschulen in Guanajuato hingewiesen – ein weiter Grund die Stadt zu besuchen, denn ehrlich gesagt war von den anderthalb Jahren Spanisch an der VHS von vor ein paar Jahren nicht mehr viel übrig.
Nach zehn Tagen auf dem Rad freute ich mich richtig darauf die Stadt zu erreichen und auch für eine Weile da zu bleiben. Es war schon ein wunderbares Gefühl die Stadt das erste Mal aus der Ferne zu sehen. Ein Ausblick auf unzählige kleine bunte Häuschen, die dicht an dicht auf die sich unregelmäßig dahin windenden Berghänge gebaut waren. Im Vordergrund diesen ersten Panoramas thronte die Kirche „Templo de San Cayetano Confesor“, der erste architektonische Prunkbau Guanajuatos, den ich zu Gesicht bekam. Es folgten ein paar Kurven hinunter in die Stadt, die aber trotzdem immer noch ich auf knapp über 2000 Höhenmetern liegt; mitten im zentralen mexikanischen Hochland.
Es dauerte nicht lange, bis mich das Navi in eine Calle Subterránea leitete und damit eigentlich ins dunkle nichts entließ. Denn in dieser tunnelähnlichen Anlage unter der Stadt gab es natürlich keinen GPS-Empfang. In den 1960ern wurden die einst zum Flutschutz angelegten unterirdischen Kanäle in unterirdische Straßen umgebaut – ein Staudamm sorgte ab da für einen moderneren Hochwasserschutz, der Rio Guanajuato wurde umgeleitet. Die ursprünglichen zwei Untergrundstraßen sind heute Einwegstraßen – eine in die Stadt hinein, die andere für die entgegengesetzte Richtung. Sie folgen dem alten Flusslauf und man kommt sich vor wie in einem Gewölbekeller. Es gibt sogar Fußwege und hin und wieder das Tageslicht, wenn der ehemalige Kanal auf kurzen Abschnitten mal nicht überbaut ist. Zu den ursprünglichen zwei unterirdischen Straßen sind in den 1990er Jahren noch jede Menge weiterer gebohrter Tunnel hinzugekommen. Damit verfügt Guanajuato über ein unterirdisches Straßennetz mit Kreuzungen, Abschnitten für Fußgänger aber auch Parkplätzen. Ein absolut geniales System für eine Stadt, in der durch die Berge und die dichte Bebauung für oberirdischen Straßenverkehr eigentlich garnicht genug Platz ist. Irgendwo nahm ich dann einfach mal eine Ausfahrt und befand mich sogleich im Zentrum neben dem prunkvollen Theater Juárez.
Der Untergrund von Guanajuato.
Vor dem Theater wimmelte es nur so von Menschen, ich stieg ab und schob das Rad durch die volle Straße in Richtung des anvisierten Hostels und kam auf der nicht mal 400 Meter langen Strecke an zwei weiteren prunkvollen Kirchen vorbei und das sollten bei weitem nicht die letzten sein, die es in der Stadt zu sehen gab. Grund dafür ist der einstige Reichtum der Stadt. Schon vor der Kolonialisierung durch die Spanier wurden in der Gegend wertvolle Erze abgebaut. Die Spanier waren an den Bodenschätzen sehr interessiert und ließen die Stadt schon sehr schnell nach ihrer „Entdeckung“ durch Festungen absichern. Es wurde Gold gefördert aber vor allem jede Menge an Silber, was letztendlich zum Reichtum der Stadt und den zahlreichen kolonialen Bauten im Barockstil führte. Einige der in Guanajuato zu dieser Zeit entstandenen Bauwerke galten wohl auch als Vorbild für weitere Kolonialarchitektur in Lateinamerika.
Pomp!
In den nächsten Tagen erkundete ich die Stadt zu Fuß. Viele der Gebäude sind tatsächlich nur zu Fuß über schmale und recht steile Gassen zu erreichen. Durch die bergige Lage gelangt man aber auch immer wieder recht schnell an schöne Aussichtspunkte, von denen sich aus die vielen bunten Häuser aus etwas Entfernung von oben bestaunen ließen. Der Aussichtspunkt schlecht hin befindet sich weit über dem Theater am Pípila Denkmal. Ein Ort an dem es etwas touristischer zugeht, mit vielen Souvenierständen aber auch einem großen Angebot an Steetfood. Statt der vielen Treppen ist es sogar möglich mit einer Standseilbahn zu diesem Aussichtspunkt zu fahren.
Pípila Denkmal mit Ausblick und Standseilbahn.
Streetfood gab es natürlich nicht nur am Pípila Denkmal, sondern eigentlich überall im Zentrum. Von herzhaften Tacos oder Gorditas, zu in Streifen geschnittenen Mangos, Melonen oder Ananasstücken, über Eis, Fruchtsäften und lokalen Süßigkeiten gab es wirklich eine große Auswahl an leckeren Sachen. Außerdem gab es zahlreiche kleine Restaurants, Bars und Cafés, so dass ich langsam in die mexikanische Küche eintauchen konnte. Recht schnell hatte ich aber auch meine Lieblingsbäckerei und einen wunderbaren Obst- und Gemüsehändler gefunden, wo es jeweils auf dem Rückweg von der Sprachschule einen Abstecher gab.
Die Sprachschule „La Adelita“ war genau Richtig. Rolando konnte mir recht schnell ein paar Termine mit Silvia als Lehrerin anbieten. In jeweils zweistündigen Einheiten, brachte sie mir die wichtigsten Grundlagen für den Wiedereinstieg ins Spanische bei und ging problemlos auch auf Sonderwünsche wie „das Wetter“ oder „die Straßenbeschaffenheit“ ein. So konnte ich schon nach zwei Tagen endlich vernünftig im Restaurant bestellen und auch dem Hostelstuff ohne Übersetzungs-App halbwegs verständlich meine Bedürfnisse mitteilen.
Guanajuato scheint ein beliebtes Ziel für Radreisende zu sein, denn insgesamt traf ich drei Gleichgesinnte in den anderthalb Wochen in der Stadt. Elani aus Montana war bereits mehrfach in Guanajuato und konnte mir daher eine ganz gute Stadtführung geben. Tags darauf trafen wir uns nochmal mit den Fahrrädern und radelten entlang der „Panoramica“ – eine Straße die sich in zahlreichen Kurven oberhalb der Stadt einmal um diese im Kreis herum zieht, mit wahrlich einigen Panorama-Blicken.
Ein anderer Tag wurde zum Wandertag auserkoren. Zusammen mit Ralf aus Bremen, ein äußerst gemütlicher Charakter den ich im Hostel kennenlernte, ging es hoch auf den Cerro de la Bufa. Er ist sowas wie der Hausberg Guanajuatos. Die Felsformationen in dieser Gegend erinnerten uns sehr an das Elbsandsteingebirge, an einigen Stellen hätte man durchaus auch gut Boofen können. Kurzzeitig hatte ich sogar den Plan dazu, für die letzte Nacht in Guanajuato. Allerdings verwarf ich die Idee wieder, als mir Silia, eine andere Backpackerin, von dem Überfall erzählte, dem sie auf dieser Wanderung zum Opfer fiel. Da geht es wohl im Elbsandsteingebirge dann doch etwas sicherer zu als in Mexiko.
Wanderung zum Cerro de la Bufa.
Trotz dieses Erfahrungsberichts fühlte ich mich in der Stadt immer sicher, selbst mit der dicken Kamera in der Hand bei den unzähligen Fotospaziergängen. Es machte richtig viel Spaß mit der Kamera auf Entdeckungstour zu gehen, sei es um Details zu knipsen oder ganze Straßenzüge mit den wunderschönen bunten Häusern und den lustig im Wind flatternden für Mexiko so typischen Papiergirlanden. Mit Yven lernte ich einen anderen spannenden Backpacker kennen, er war ganz auf Fotomission unterwegs, besuchte sogar einen mehrtägigen Fotoworkshop. Sein Fokus lag auf der Street-Fotografie und er ermunterte mich dazu dies auch etwas mehr auszuprobieren. Very nice to meet you!
Ich hätte gut und gerne noch zwei weitere Wochen in der Stadt bleiben können. Guanajuato hat echt jede Menge Charme. Die vielen verwinkelten Gassen in denen man sich ohne weiteres verlaufen kann, das bunte hektische Treiben im Zentrum, die vielen jungen Menschen durch die Universität und die überschaubare Größe der Stadt, trotz dass sie Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates ist, trugen mit Sicherheit zu diesem Eindruck bei. Guanajuato war für mich die schönste Stadt Mexikos und ein wunderbares erstes Ziel, um in Ruhe in das mexikanische Leben hinein zu schnuppern.
Reisezeit: Januar 2024
Das Titelbild gab es schon im letzten Artikel ganz am Ende zu sehen, ich finde es ist ein großartiges Motiv. Diesmal sind die Farben jedoch anders bearbeitet, mit einer Emulation des Fuji Velvia Films. Welche Variante gefällt dir besser?
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