Varosha – Eine traurige Geisterstadt

Lost Places erzählen immer eine Geschichte. Oftmals ist diese traurig, denn damit ein Ort zum Lost Place wird, muss er nunmal verlassen werden. Im De-facto-Staat der Türkischen Republik Nordzypern gibt es gleich eine ganze Stadt die verlassen und damit zu einer Geisterstadt wurde: Varosha. Der Grund hierfür ist besonders traurig, den die einstigen Bewohner Varoshas mussten die Stadt von jetzt auf gleich während der türkischen Invasion 1974 verlassen. Ohne zu wissen, dass sie wohl niemals mehr die Chance haben zurück zu kommen.

Die Stadt liegt gleich neben Famagusta, direkt an der Grünen Linie, welche die Insel teilt. Seit der türkischen Invasion ist die Stadt militärisches Sperrgebiet und gammelt mehr oder weniger vor sich hin. Zumindest der Natur scheint es in Varosha gut zu gehen, die Pflanzen wachsen fleißig vor sich dahin.

Vor 1974 war Varosha das touristische Zentrum auf Zypern schlecht hin – ein Hotel reihte sich an das andere, es gab Restaurants, Cafés, jede Menge Einkaufsmöglichkeiten und einen „Bilderbuchstrand“. Zwar nicht nach meinem Geschmack, da ich eigentlich keine Betonwüste in Kombination mit einem überfüllten, beliegestuhlten Strand brauche aber es war damals nun mal der touristische Hotspot der Insel. Varosha war gleichzeitig aber auch das Zuhause, der Besitz und die Lebensgrundlage für viele tausende Menschen.

Es ist schon besonders verrückt, dass diese ganze Stadt seit der Invasion zur Sperrzone geworden ist. Von türkischer Seite wird es wohl oft als „Hinterpfand“ im Konflikt genutzt, auch habe ich gelesen dass durch die militärische „Nutzung“ so keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Aber der ganze Zypernkonflikt ist schwer zu begreifen.

Noch verrückter ist die aktuelle Entwicklung. Seit dem Sommer 2021 ist ein Teil der Geisterstadt für den Tourismus geöffnet. Die TRNC hat einige der Straßen neu asphaltiert, Fahrradwege markiert, einen Fahrradverleih am Eingang eröffnet und links wie rechts der Straßen Absperrleinen gezogen. Jetzt kann man also auf diesen ausgewählten Straßen wie in einer Art Disneyland die vor sich hin zerfallende Stadt beglotzen. Permanent von Sicherheitskräften überwacht, so dass man nur auf den erlaubten Wegen bleibt. Auf einigen der Dächer gibt es Beobachtungsposten der UN. Sämtliche Militäreinrichtungen unterliegen einem Fotografieverbot. An einem Platz hat man Fressbuden aufgestellt und die Springbrunnen reaktiviert, im Hintergrund wehen völlig pervers die Flaggen der TRNC und der Türkei von einem eigentlich stilvollen Gebäude.

Ja, ich habe die dreckige Einladung des Regimes angenommen und bin mit der Kamera durch die Straßen gezogen. Lost Places ziehen mich an – sowohl mit ihren Geschichten als auch als Fotomotiv. Wie auch schon in Tsaltubo habe ich damit Schwarzen Tourismus betrieben. Bei meinem Besuch parkten außerdem zwei oder drei Reisebusse vor dem Eingang, es wurde unter den Besuchern meistens Russisch gesprochen. Eintritt musste zumindest keiner entrichtet werden.


Reisezeit: Januar 2023

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